Moderner Pranger: Urteilspublikation
Die NZZ äussert sich im heutigen redaktionellen Teil kritisch über eine Publikation in ihrem Inserateteil. Die Publikation betrifft ein nach Art. 68 StGB zu veröffentlichendes Urteil, das die NZZ auf Kosten des Verurteilten abzudrucken hatte. In diesem Zusammenhang stellen sich zahlreiche Fragen, die einer vertiefteren Diskussion zuzurühren wären. Zu hoffen bleibt, dass sich solche Publikationen die seltene Ausnahme bleiben werden.
Zwar scheint mir die Nützlichkeit einer solchen Publikation durchaus fragwürdig. Ich frage mich aber auch weshalb die NZZ damit so ein grosses Problem hat. Ein bezahltes Inserat mehr kann ja nicht so schlimm sein für sie. Und dass es ihr um die Grundrechte der Verurteilten geht mag ich auch nicht recht glauben.
Sollen die Herausgeber eines Mediums denn tatsächlich schweigen, wenn in die Medienfreiheit eingegriffen wird? Schweigen, weil das Inserat ja (vielleicht) bezahlt wird?
Wenn die NZZ ernsthafte Bedenken gehabt hätte, wäre es dem Verlag doch ohne weitere Begründung möglich gewesen, den Auftrag zur Publikation des Inserats abzulehnen?
Ich wundere mich, warum der Artikel nicht auf diese Möglichkeit eingeht.
Das wird durchaus thematisiert:
„Es werden somit privatwirtschaftliche Medienunternehmen – zwar gegen Bezahlung durch den Verurteilten – unter Missachtung der Vertragsfreiheit zur Veröffentlichung verpflichtet. Geht das? Ein Blick in die Rechtsprechung und die juristische Literatur belehrt einen: vermutlich ja.“
Es gibt immer ein Für und Wider gegen richterlich angeordnete Urteilspublikation. Mich erstaunt es jedoch vielmehr, dass sich die NZZ derart stört. Meistens werfen sich die Medien ja wie Geier auf die (mutmasslichen) Täter, publizieren kaum genügend verpixelte Bilder und kürzen die Namen so, dass doch jeder rausfinden kann, um wen es sich handelt. Ordnet dann einmal ein Gericht die Publikation eines Urteils an, schreien dieselben Medien auf und sprechen davon, dass die Medien als moderner „Pranger“ missbraucht würden….