Mündliches Berufungsverfahren – jetzt doch auch im Kanton Aargau?

Das Obergericht des Kantons Aargau muss nach neuerlicher höchstrichterlicher Aufhebung seines Urteils zum dritten Mal in derselben Sache entscheiden. Die Konstellation ist allerdings etwas merkwürdig und der Bundesgerichtsentscheid hat eine disziplinarische Note (BGer 6B_4/2014 vom 28.04.2014).

In seinem ersten Entscheid hatte das Bundesgericht u.a. kassiert, weil das Obergericht Art. 405  StPO (mündliches Verfahren) missachtet hatte (BGer 6B_599/2012 vom 05.04.2013; s. dazu meinen damaligen Beitrag). Im Rückweisungsverfahren beantragte die Staatsanwaltschaft folgerichtig die Einvernahme des Belastungszeugen. Die Verteidigung verzichtete auf einen entsprechenden Antrag. Daraufhin entschied das Obergericht erneut, und zwar wiederum im schriftlichen Verfahren. Das wiederum war der Verteidigung dann doch nicht recht, weshalb sie erneut ans Bundesgericht gelangte und die neuerliche Verletzung von Art. 405 StPO rügte, und zwar mit Erfolg:

Gegenstand des neuen Berufungsverfahrens waren aufgrund des bundesgerichtlichen Rückweisungsurteils insbesondere Tatfragen. Das Bundesgericht hielt fest, der Anklagesachverhalt sei aufgrund der Zeugeneinvernahmen im Vorverfahren nicht erstellt. A. hätte als einziger Belastungszeuge zu den Drogengeschäften gerichtlich einvernommen werden müssen, da in “Aussage gegen Aussage”-Konstellationen die Beweiswürdigung ohne die unmittelbare Wahrnehmung der beschuldigten Person und des Belastungszeugen seitens des erkennenden Sachgerichts unvollständig sei (Rückweisungsurteil E. 4.2 f.; vgl. auch: 6B_718/2013 vom 27. Februar 2014 E. 2.5 mit Hinweis). Dies gilt für den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten und von ihm nicht eingestandenen Drogenhandel. Darauf hat die Staatsanwaltschaft explizit in ihrer Stellungnahme vom 17. April 2013 an die Vorinstanz hingewiesen und die Einvernahme von A. beantragt. Die Vorinstanz durfte auf dessen Befragung nicht verzichten. Die Erledigung im schriftlichen Berufungsverfahren verstösst gegen Art. 406 StPO und Art. 389 Abs. 3 StPO und verletzt das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers (und der Beschwerdegegnerin) [E. 4].
Ich hätte jetzt eher erwartet, dass das Bundesgericht der Verteidigung vorwirft, die Befragung nicht selbst beantragt zu haben und daher nicht beschwert zu sein. Aber offenbar will das Bundesgericht seine Entscheide auch gegenüber den kantonalen Instanzen durchsetzen. Das kann man nur begrüssen.