Mühsamer Kampf um amtliche Verteidigung

In einem Strafverfahren wegen Verdachts des Betrugs und der Urkundenfälschung setzt das Bundesgericht auf Beschwerde der Beschuldigten hin direkt einen amtlichen Verteidiger ein (BGer 1B_195/2012 vom 07.05.2012). Dass die Beschuldigte, deren Prozessarmut unbestritten war, bis vor Bundesgericht um eine amtliche Verteidigung kämpfen musste, erscheint mir bereits angesichts der Komplexität der beiden Tatbestände als bedenklich. Abzustellen ist gemäss Bundesgericht aber immer auf den Einzelfall, wobei auch künftige Entwicklungen des Verfahrens zu berücksichtigen sind. Auch das Bundesgericht glaubt, es sei nicht davon auszugehen, beim Vorwurf des Betrugs und der Urkundenfälschung liege generell ein komplexer Fall vor, der eine amtliche Verteidigung erforderlich mache (E. 2.4). Im vorliegenden Fall hat es die Voraussetzungen von Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO jedoch als gegeben erkannt:

Wenn das Obergericht [den Sachverhalt] mit dem Argument als einfach und überschaubar bezeichnet, dass der Beschwerdeführerin einzig vorgeworfen werde, von einer Bank mit gefälschten Unterlagen einen Barkredit erwirkt zu haben, so blendet sie einen Teil des mutmasslichen Sachverhalts aus. An anderer Stelle des angefochtenen Entscheids wird ausgeführt, der Kredit solle über einen “Zwischenvermittler” zu Stande gekommen sein. Die Staatsanwaltschaft wies in diesem Zusammenhang in einem Schreiben vom 4. Januar 2012 an das Obergericht darauf hin, dass im Rahmen eines gegen drei andere Personen hängigen Strafverfahrens der Name der Beschwerdeführerin aufgetaucht sei. Diesen drei Personen werde gewerbsmässiger Betrug und Urkundenfälschung vorgeworfen. Konkret bestehe der Verdacht, dass sie für die Beschwerdeführerin und weitere Personen gefälschte Dokumente hergestellt und damit Kredite bei Banken beantragt hätten. Somit stehen zum einen Fragen der Teilnahme im Raum, die den Fall rechtlich und tatsächlich komplizierter machen. Zum anderen ist aber auch plausibel, dass die drei erwähnten Personen versuchen könnten, der Beschwerdeführerin die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die Beschwerdeführerin selbst ist 23 Jahre alt und hat eine minimale Schulbildung genossen. Sie hat lediglich die Realschule besucht und keine Lehre angefangen. Nach ihren eigenen Angaben bekundet sie Mühe, anspruchsvollere Texte in deutscher Sprache zu verstehen. Insgesamt erscheint deshalb fraglich, inwieweit sie in der Lage ist, die Akten zu studieren, Beweisanträge zu stellen und bei den sich stellenden Rechtsfragen ihre Argumente gezielt vorzutragen. Insgesamt ist nicht davon auszugehen, dass sie sich im vorliegenden Strafverfahren allein effektiv verteidigen kann (E. 2.4).

Der Entscheid der Vorinstanz zeigt m.E. einmal mehr, dass viele Richter noch immer zu fiskalisch denken und dabei übersehen, dass die eine wirksame Verteidigung nicht nur der beschuldigten Person, sondern auch der Strafrechtspflege dient. Inquisitorisch geprägte Denkansätze sind in der Schweiz nach wie vor herrschend.