Nach 25 Jahren verurteilt

Im Kanton Aargau ist ein Steueramtsvorsteher wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilt worden (BGer 6B_90/2014 vom 29.01.2015). Er hat im Januar 2001 – nach Eintritt der Veranlagungsverjährung – bemerkt, dass ein in “seiner” Gemeinde steuerpflichtiges Ehepaar für die Steuerperioden 1991/92 und 1992/93 nicht veranlagt worden war. Anstatt sich sofort an die zuständigen Amtsstellen zu wenden, hat er den Verjährungseintritt durch verschiedene Handlungen und Unterlassungen verheimlicht. Durch dieses andauernd pflichtwidrige Verhalten habe er bewirkt, dass ein Schaden im Umfang der während der Dauer der Vertuschung aufgelaufenen Vergütungszinsen von CHF 222,917.40 entstand.

Das kann auf den ersten Blick unmöglich richtig sein. Der eigentliche Schaden besteht doch in der unterbliebenen Veranlagung bzw. dem dadurch entgangenen Steuersubstrat. Das wurde dem Beschuldigten ja aber nicht vorgeworfen. Diesen Schaden hätte er durch umgehende Meldung denn auch nicht beeinflussen können. Das Bundesgericht sieht den Schaden mit den Vorinstanzen in den Vergütungszinsen, welche die Gemeinde den Steuerpflichtigen zu zahlen hatte. Dabei wird aber m.E. aber, dass die Steuerpflichtigen Akontozahlungen geleistet hatten, welche der Gemeinde ja auch zur Verfügung standen. Sie profitierte mithin während der ganzen Dauer der angeblichen Pflichtverletzung von den Zahlungen.

Jetzt aber zuerst zur Verjährung:

Der Beschwerdeführer unterliess es, den Eintritt der Veranlagungsverjährung zu melden und bewirkte somit einen Schaden, der jeden Tag grösser wurde und strafrechtlich – auch hinsichtlich der Verjährung – unabhängig von den infolge fehlender Veranlagung entgangenen Steuereinnahmen von Bedeutung ist (vgl. oben, E. 5.2). Das Schweigen des Beschwerdeführers bewirkte unmittelbar einen Schaden und erschöpfte sich nicht in dem blossen Aufrechterhalten einer Täuschung. Die Verjährung konnte nicht zu laufen beginnen, solange den Beschwerdeführer eine Pflicht traf, den Eintritt der Veranlagungsverjährung zu melden (E. 6.2).

Das kann m.E. nicht richtig sein, weil im Ergebnis an den – angeblich immer weiter wachsenden – Schaden angeknüpft wird und die Dauer der Meldepflicht von der Dauer abhängig gemacht wird, wie lange der Schaden wächst. Woraus sich übrigens eine Meldepflicht ergibt, kann ich dem Entscheid nicht entnehmen.

Zum Schaden, der hier direkt mit der angeblichen Meldepflicht und damit auch mit der Verjährung verknüpft ist:

Als die Erben der Ehegatten B. die Rückerstattung der Akontozahlungen verlangten, war ihr Anspruch noch nicht verjährt. Die Gemeinde A. musste deshalb sowohl die provisorisch bezahlten Steuern als auch die entsprechenden Zinsen vergüten. Beides stellt, aus Sicht der Geschädigten, einen strafrechtlich relevanten Schaden dar. Dass die Zinsen – im Verhältnis zwischen der Gemeinde und den Steuerpflichtigen – zusammen mit der Hauptforderungen verjähren, führt nicht dazu, dass sie nicht alleine als Schaden berücksichtigt werden dürfen (E. 5.2).

So kann man natürlich alles “begründen”: Der Schaden ist deshalb ein Schaden, weil er ein Schaden ist. Diesen Fall hätte ich liebend gerne verteidigt. Ich wäre natürlich auch nicht erfolgreicher gewesen, aber spannend wäre er allemal gewesen.