Nach mir die Sintflut …
… dachte sich wohl das Obergericht des Kantons Bern, das Haft angeordnet hatte, sich aber für die Haftentlassung nicht als zuständig erachtete.
Gerade an der Schnittstelle zwischen prozessualer und vollstreckungsrechtlicher Haft wird es immer schwieriger, den zuständigen Haftrichter nach Art. 5 EMRK auszumachen. Mir ist ein Fall bekannt, bei dem sich der Sachrichter, der Zwangsmassnahmenrichter und die Vollzugsbehörde als nicht zuständig erachten. Das Bundesgericht klärt nun aber auf Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft einen bernischen Fall und weist die Zuständigkeit dem haftanordnenden Richter zu (BGer 6B_1055/2015 vom 18.11.2015):
Die Strafprozessordnung enthält keine Bestimmung betreffend die Entlassung aus der gestützt auf Art. 440 StPO angeordneten Sicherheitshaft. Wenn zur definitiven Anordnung der Sicherheitshaft zwecks Sicherstellung des Straf- oder Massnahmenvollzugs nach Ausfällung des in Rechtskraft erwachsenen Urteils gestützt auf Art. 440 Abs. 2 lit. a StPO das Gericht zuständig ist, welches die zu vollziehende Strafe oder Massnahme ausgesprochen hat, dann muss dieses Gericht auch zum Entscheid über die Entlassung aus der von ihm nach Ausfällung des Urteils angeordneten Sicherheitshaft zuständig sein. Erst recht muss das Gericht, welches die Strafe oder Massnahme ausgesprochen hat, nach der Ausfällung des Urteils auch zum Entscheid über die Entlassung aus der Sicherheitshaft zuständig sein, wenn es diese, wie im vorliegenden Fall, bereits im Strafurteil angeordnet hat. In der Lehre wird denn auch die Auffassung vertreten, dass Art. 440 Abs. 2 StPO sinngemäss anwendbar sei, wenn der Verurteilte ein Entlassungsgesuch bezüglich einer vom letztinstanzlich entscheidenden Gericht angeordneten Sicherheitshaft stellt (Niklaus Schmid, Schweizerisches Strafprozessrecht, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 440 StPO N. 19) [E. 2.2].