Nach unbezahltem Vorschuss hinter Gitter
Das Obergericht des Kantons Solothurn ist auf ein Rechtsmittel nicht eingetreten, weil der amtlich verteidigte Appellant einen Kostenvorschuss nicht bezahlt hatte. Damit wurde das erstinstanzliche Urteil mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig. Ein Wiedereinsetzungsgesuch wurde gemäss Bundesgericht (BGer 6B_60/2010 vom 12.02.2010) mit der Begründung abgewiesen,
die Verfügung betreffend Kostenvorschuss sei dem amtlichen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers und somit formrichtig zugestellt worden. Der Rechtsvertreter habe folglich von der Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses Kenntnis gehabt. Damit könne es keine Rolle spielen, ob die vom Rechtsvertreter an seinen Mandanten versandte Post nicht angekommen sei. Eine solche Begründung stelle keinen Grund dar, die Säumnisfolgen aufzuheben (…) (E. 1).
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab:
[Der Beschwerdeführer] macht zusammengefasst geltend, dass die Vorinstanz vom bedürftigen Beschwerdeführer von vornherein keinen Vorschuss hätte verlangen dürfen. Er verweist indessen selber auf § 168bis StPO/SO (…). Nach dieser Bestimmung ist grundsätzlich zur Leistung eines Kostenvorschusses verpflichtet, wer ein Rechtsmittel einlegt. Der Präsident kann die bedürftige Partei auf Gesuch hin von der Vorschusspflicht befreien. Ein solches Gesuch zu verlangen, ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers mit den Verfahrensgarantien und dem Recht auf unentgeltliche Rechtspflege vereinbar (…). Der Rechtsvertreter hat kein solches Gesuch gestellt. Er hat statt dessen die Kostenvorschussverfügung samt Einzahlungsschein dem Beschwerdeführer zugestellt, ohne sich weiter um die Angelegenheit zu kümmern (E. 2).
Hätte er ein Gesuch gestellt, hätte das wohl aber gar nichts ändern können. Die Frist war ja bereits verstrichen. Es ist daher nicht anzunehmen, dass nach verstrichener Frist auf ein Gesuch um Befreiung vom Kostenvorschuss noch eingetreten worden wäre.
Weiter führt das Bundesgericht Folgendes aus:
Zwar prüft die zweite Instanz gemäss § 9 Abs. 2 StPO/SO nach Eingang der Rechtsmittelerklärung nach freiem Ermessen, ob die amtliche Verteidigung aufrechtzuerhalten sei. Aus der Beschwerde ergibt sich indessen nicht, dass die Vorinstanz in Willkür verfallen wäre, als sie die amtliche Verteidigung nicht automatisch aufrechterhielt (…). Der Rechtsvertreter hat die Kostenvorschussverfügung denn auch ohne weiteres akzeptiert und dem Beschwerdeführer zur Bezahlung zugestellt (E. 2).
Hier hat der Beschwerdeführer wohl falsch argumentiert. Die Vorinstanz musste sich doch gar nicht zur Aufrechterhaltung der amtlichen Verteidigung äussern und hat dies wahrscheinlich auch nicht getan, zumal die Voraussetzungen unbestreitbar auch im Appellationsverfahren vorlagen.
Im Ergebnis muss der (mittellose) Beschwerdeführer seine Strafe nun absitzen – letztlich weil ihm die Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses faktisch nicht bekannt war. Rechtlich war sie ihm bekannt, denn seinem Anwalt wurde sie formrichtig eröffnet. Unverständlich, aber im Ergebnis unerheblich, ist mir die Bemerkung des Bundesgerichts, der Anwalt habe die Kostenvorschussverfügung “ohne weiteres akzeptiert”. Die Verfügung richtete sich doch nicht an den Anwalt, dem es im Übrigen nicht obliegt, eine Verfügung zu akzeptieren.
Der Entscheid ist aufgrund der Gesetzeslage richtig. Ob Letztere richtig ist, wage ich zu bezweifeln. Sie führt dazu, dass ein Beschuldigter unter Umständen zu Unrecht eine Freiheitsstrafe verbüssen muss, weil ihn ein Brief seines Anwalts nicht erreicht hat. Das kann der Gesetzgeber nicht gewollt habe, oder?