Nachträglich entdeckter Ausstandsgrund
Die Justiz tut sich bekanntlich schwer mit Ausstandsfragen. Aktuelle Beispiele liefern zwei Entscheide des Bundesgerichts gegen Beschwerden des Bundesanwalts und der Bundesanwaltschaft (BGE 1B_442/2019 vom 18.03.2020, Publikation in der AS vorgesehen sowie BGer 1B_443/2019 vom 18.03.2020).
Dabei ging es um die Frage nach der Behandlung von Ausstandsgründen, die erst nach Abschluss des Ausstandsverfahrens entdeckt werden (vgl. Art. 60 Abs. 3 StPO). Die Antwort des Bundesgerichts (vgl. auch die Pressemitteilung) ist einfach, aber m.E. falsch:
Nach dem Gesagten ist Artikel 60 Abs. 3 StPO (Revision wegen nachträglich entdeckten Ausstandsgründen) nur auf materielle Straferkenntnisse nach rechtskräftig abgeschlossenem Hauptverfahren (im Sinne von Art. 410 Abs. 1 StPO) anwendbar. Der angefochtene Nichteintretensentscheid der Berufungskammer des BStGer hält im Ergebnis vor dem Bundesrecht stand (E. 6.5).
Diese Auslegung des Gesetzes führt dazu, dass Art. 60 Abs. 3 StPO nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn ein Ausstandsgrund erst nach Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids i.S.v. Art. 410 Abs. 1 StPO entdeckt wird. Wird er schon vorher entdeckt, kriegt man den begangengen Richter ja gar nicht weg.
Nagelprobe: Wie hätte Lauber und die BA vorgehen müssen, nachdem die – mit Verlaub – schwierigen Äusserungen des Präsidenten der Beschwerdekammer bekannt wurden?