Nachträgliche Umwandlung einer gescheiterten Massnahme
Das Bundesgericht fällt einen weiteren Grundsatzentscheid zum neuen Massnahmerecht (BGE 6B_750/2010 vom 13.07.2010). Es ging um die Frage, ob eine ambulante Massnahme in eine stationäre umgewandelt werden kann, wenn der Verurteilte im Zeitpunkt des Entscheids keine Reststrafe zu verbüssen hat. Die Vorinstanz hat diese Frage verneint. Das Bundesgericht korrigiert sie und stellt sich gegen die wohl herrschende Lehre und m.E. auch gegen den Willen des Gesetzgebers und dessen Gesetzestext:
Scheitert eine ambulante Behandlung, ist bei Freiheitsstrafen nicht zwingend erforderlich, dass noch eine Reststrafe vorliegt, wenn eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet werden soll. In materieller Hinsicht bedarf es einer inhaltlichen Verknüpfung zwischen Verurteilung und Freiheitsentzug (das heisst der Anordnung einer stationären Therapie). Die Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre Massnahme nach vollständiger Verbüssung der Strafe bleibt wie unter dem alten Recht in klaren Ausnahmefällen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgebotes zulässig. Ob eine solche Ausnahmesituation vorliegend zu bejahen ist, hat die Vorinstanz zu entscheiden (E. 4.1).
Vom Entscheid bis zur Publikation der schriftlichen Begründung vergingen aus nicht bekannten Gründen fast vier Monate. Bekannt ist aber, dass die psychisch kranke Beschwerdegegnerin im Verfahren vor Bundesgericht nicht vertreten war und sich offenbar auch nicht äusserte. Im Ergebnis wird ihr das vielleicht nicht schaden, denn die Vorinstanz kann ohne Weiteres wieder in ihrem Sinn entscheiden und aus materiellen Gründen von einer Umwandlung in eine stationäre Massnahme absehen. Ein solcher Entscheid würde allerdings mit einiger Sicherheit wieder von der Staatsanwaltschaft ans Bundesgericht gezogen werden.