nemo tenetur oder: wie lautet Ihr Entsperrcode?

Die polizeiliche Frage nach dem Entsperrcode für ein bei der beschuldigten Person sichergestelltes Mobiltelefons ist ohne die Belehrungen nach Art. 158 StPO als Aushöhlung des nemo-tenetur-Grundsatzes (Art. 113 StPO) unzulässig und führt zur absoluten Unverwertbarkeit (BGE 6B_525/2024 vom 25.01.2025; Publikation in der AS vorgesehen).

Das Bundesgericht verabschiedet sich damit von der m.E. schlicht falschen Rechtsprechung der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung (BGer 1B_535/2021 vom 19.05.2022, vgl. dazu meinen früheren Beitrag):

Obiger – in der Lehre im Übrigen stark kritisierter – Entscheid (vgl. Niklaus Ruckstuhl, a.a.O. N. 9a zu Art. 158 StPO) lässt somit keinen verbindlichen Schluss auf die Verwertbarkeit der auf dem Mobiltelefon des Beschwerdeführers aufgefundenen Beweismittel zu. Der herrschenden Lehre folgend ist denn auch vielmehr von deren Unverwertbarkeit auszugehen. So ist nämlich nicht ersichtlich, inwiefern die Frage nach dem Zugangscode zum Mobiltelefon eines Beschuldigten die in seinen Räumlichkeiten vorzunehmende Hausdurchsuchung erleichtern könnte. Die bei dieser Gelegenheit erfolgte Erhebung eines Entsperrcodes bei einer beschuldigten Person (und damit bei bereits bestehendem Tatverdacht) im Rahmen einer informellen Befragung – ohne vorgängige Belehrung im Sinne von Art. 158 Abs. 1 StPO – begründet eine unzulässige Aushöhlung des „nemo tenetur“-Grundsatzes. Damit liegt Unverwertbarkeit gemäss Art. 158 Abs. 2 StPO vor. Diese Unverwertbarkeit gilt absolut (Art. 141 Abs. 1 Satz 2 StPO, s.a. Ruckstuhl, a.a.O., N. 33, Godenzi, a.a.O., N. 33 zu Art. 158 StPO) [E. 5.2.1]. 

Den Entscheid begünstigt hat vermutlich auch der Umstand, dass das angefochtene Urteil (Obergericht AG) auch in materieller Hinsicht gleich mehrfach bundesrechtswidrig war.