Neuausrichtung der Strafverfolgung

Auf die “Situationsanalyse 2006 Uster” folgt der “Umsetzungsbericht Uster“, mit dem die erkannten Mängel der Strafverfolgung auf Bundesebene angepackt werden sollen (s. meine letzten Beiträge zum Thema hier, hier und hier). Das EJPD hat alle einschlägigen Dokumente online gestellt. Die Neuausrichtung soll über ein neun Punkte-Programm führen. Meine Bemerkungen dazu finden sich in den [Klammern]:

  1. 4-Jahresstrategie: Die zukünftige Strafverfolgung auf Bundesebene verlangt die Konzentration und eine klare Abstimmung der Tätigkeit mit den kantonalen Strafverfolgungsbehörden. Die Strategie auf Bundesebene wird jeweils vom Bundesanwalt in Zusammenarbeit mit dem fedpol erarbeitet und vom Bundesrat genehmigt. Sie wird regelmässig (alle vier Jahre) überprüft, wenn notwendig angepasst und neu genehmigt. Grundlagen dazu sind das Gesetz, das aktuelle Gefährdungsbild und die Erkenntnisse aus den bisherigen Ermittlungen sowie die zur Verfügung stehenden Mittel. [Dass die Strategie der Strafverfolgungsbehörden vom Bundesrat zu genehmigen ist, wird sicher die Gewaltentrennungsdebatte neu eröffnen. Wenn sie endlich dazu führt, dass Strafverfolgung als Aufgabe der Exekutive verstanden wird, soll es mir Recht sein].
  2. Konzentration der Kräfte auf komplexe und aufwändige Verfahren: Im Sinne einer konsequenten Ausrichtung sind vom Bund künftig nur diejenigen komplexen und/oder aufwändigen Verfahren an die Hand zu nehmen, bei denen namentlich internationale Kontakte, die für aufwändige Verfahren notwendigen Ressourcen, besonderes Fachwissen oder Sprachkenntnisse unabdingbar sind [Das heisst wohl, dass künftig die jeweils komeptenteste Behörde das Dossier kriegt, was die Bundesstrafverfolger wohl eher entlasten dürfte]
  3. Konzentration bei den Delikten: Auch bei der Art der Delikte werden Schwerpunkte gesetzt: Kernprioritäten sind die Bekämpfung von Terrorismus oder Terrorismus-Finanzierung, organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität. Darauf folgen passive Rechtshilfe, Proliferation, Sprengstoff- und Waffendelikte sowie Verstösse gegen das Güterkontrollgesetz (Ringprioritäten). Als Randprioritäten werden schliesslich die Inlandkorruption, Flugunfälle und Amtsgeheimnisverletzungen behandelt. Ziel ist nicht mehr, alle Verfahren zu führen, die geführt werden könnten – sondern das Richtige am richtigen Ort zu tun [Kernpriorität Wirtschaftskriminalität? Was ist eigentlich Wirtschaftskriminalität?]
  4. Steuerungsausschuss: Ein in der Bundesanwaltschaft neu zu schaffender Steuerungsausschuss des Bundesanwalts prüft alle eingehenden Fälle, ob sie der vorgegebenen Priorisierung entsprechen. Ist dies nicht der Fall, werden sie nach Absprache mit den Kantonen möglichst frühzeitig an diese übergeben, damit der Einarbeitungsaufwand für den Partner gering ist und Doppelspurigkeiten wegfallen. Hierzu ist eine gute Verständigung mit den Kantonen notwendig. [Diesem Punkt kann ich nur vorbehaltlos zustimmen].
  5. Gesteuerte Projekte: Mit der Konzentration der Kräfte in engem Zusammenhang steht der Ansatz der Strafverfahren als gesteuerte Projekte: Nach erfolgter Prioritätsprüfung durch den Steuerungsausschuss teilt der erweiterte Steuerungsausschuss (bestehend aus Vertretern der Führung von Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalpolizei) abschliessend die zur Verfügung stehenden polizeilichen Ressourcen zu, welche auf diese Weise optimal genutzt werden können. Die auf Bundesebene geführten Verfahren werden regelmässig (mindestens alle sechs Monate) und systematisch überprüft; ist nicht mit einer Verurteilung zu rechnen, ist ein Verfahren einzustellen. [sic!].
  6. Eidg. Untersuchungsrichteramt: Das Eidg. Untersuchungsrichteramt wird mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Strafbehörden des Bundes (voraussichtlich 2009) in die Bundesanwaltschaft überführt. Somit werden die Ressourcen, die heute in die Voruntersuchungen investiert werden, der Strafverfolgung erhalten bleiben und diese verstärken. Der bisher in verschiedenen Diensten angesiedelte Bereich der Wirtschaftsprüfung wird bei der Bundesanwaltschaft in Bern zentralisiert und ein Kompetenzzentrum geschaffen. Dieses umfasst anfänglich zirka 20 Stellen. [Und was bitte sollen die alle tun?]
  7. Organisation: Die Organigramme von Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalpolizei werden gestrafft und streng nach dem Verfahrensablauf ausgerichtet. Die Bundesanwaltschaft funktioniert als Staatsanwaltschaft mit direkter fachlicher Führung, ihr obliegt die Verfahrensverantwortung. Die BKP trägt die Einsatzverantwortung im polizeilichen Bereich. Schlank und beweglich sein ist die Vorgabe, die bei der detaillierten Ausgestaltung der Organigramme bis Ende 2007 umzusetzen ist. [Tönt gut, wird nichts bringen]
  8. Finanzen: Der skizzierte Umbau der Strafverfolgung wird im heute bestehenden finanziellen Rahmen realisiert. Das Budget der Strafverfolgung auf Bundesebene (EffVor) beträgt ab 2008 100,8 Mio. Franken, wie in der Botschaft zum Voranschlag 2008 enthalten. Dieser Betrag ist im Rahmen der üblichen Budgetprozesse auf die Jahre 2008 – 2011 hochzurechnen. [Endlich spielt auch Geld eine Rolle, auch wenn die Mittel nicht allzu knapp bemessen scheinen].
  9. Umsetzung: Die Umsetzung der beschlossenen Massnahmen ist Sache der Verantwortlichen. Sie wird wiederum in einigen Bereichen durch Hanspeter Uster begleitet und soll bis Ende 2007 weitestgehend abgeschlossen sein, so dass per 1. Januar 2008 die Strafverfolgung auf Bundesebene nach der neuen Ausrichtung aufgenommen werden kann. [Sportlich!]