Neuer Dashcam-Entscheid
In einem neuen Dashcam-Entscheid kassiert das Bundesgericht ein Urteil des Kantonsgerichts VD (BGer 6B_1282/2019 vom 13.11.2020, Fünferbesetzung), das sein Urteil auf eine private persönlichkeitsverletzende Videoaufzeichnung (GoPro) gestützt hatte. Das Bundesgericht äussert sich zum Prüfungsschema und erwägt, dass zuerst zu prüfen ist, ob die Aufnahme eine Persönlichkeitsverletzung i.S.v. Art. 12 DSG darstellt und – falls ja – ob sie allenfalls zu rechtfertigen ist (Art. 13 DSG). Eine Abwägung nach Art. 141 Abs. 2 StPO findet nur statt, wenn eine nicht gerechtfertigte Persönlichkeitsverletzung zu bejahen ist:
Aussi, lorsqu’un moyen de preuve a été recueilli par un particulier en violation des principes ancrés dans la LPD (art. 12 LPD), il y a lieu, dans un premier temps, d’examiner s’il existe des motifs justificatifs au sens de l’art. 13 LPD (étant rappelé qu’ils sont admis avec retenue, en particulier lors d’enregistrements au moyen d’une caméra embarquée, en matière de circulation routière cf. supra consid. 3 et 5). Si l’illicéité de l’atteinte à la personnalité peut être levée par un motif justificatif, la preuve est exploitable sans restriction. Si la preuve doit être qualifiée d’illicite, il convient, dans un second temps, d’examiner les conditions d’exploitabilité prévalant en procédure pénale (cf. art. 141 al. 2 CPP) [E. 5].
Im zu beurteilenden Fall erwies sich die mit der Aufnahme verbundene Persönlichkeitsverletzung (laufende Aufzeichnungen, Erfassung des Kennzeichens) als nicht gerechtfertigt:
A l’instar d’une dashcam, la caméra GoPro fixée sur le guidon du cyclomoteur enregistrait en continu ce qui entrait dans son champ de vision, sans discrimination, et n’était pas reconnaissable (…). Dans les circonstances d’espèce, il y a lieu d’admettre, avec le recourant, que les prises de vue de la caméra GoPro concernant sa plaque d’immatriculation constituent une atteinte à sa personnalité (art. 4 al. 4 et 12 al. 2 let. a LPD; cf. arrêt 6B_1188/2018 précité consid. 3, destiné à la publication) [E. 7.1].
Damit war noch die Abwägung nach Art. 141 Abs. 2 StPO durchzuführen, die im vorliegenden Fall zugunsten des Beschwerdeführers ausfiel. Die Aufzeichnung erwies sich somit als unverwertbar.
Nicht berücksichtigt hat das Bundesgericht eine gewichtige neuere Publikation von Wohlers, der sich insbesondere mit der Hypothese legaler staatlicher Beweiserlangung auseinandersetzt (Beweisverwertungsverbote nach privater Beweiserlangung, FP Sonderheft 2020, 198 ff.).
Würde es helfen, wenn man von anfang an sagt, die Aufzeichnung sei anlassbezogen gewesen. Entweder es war ein besonderer Tag und man wollte den aufzeichnen oder (besser?), nachdem das Fahrzeug hinten schon dicht aufgefahren ist, gedrängelt und Lichthupe eingesetzt hat, hat man die Dashcam eingeschalten resp. die Dashcam angewiesen die Videos zu speichern?
Und wie sieht es im Verfahren vor der Administrativbehörde aus? Dort gelten auf die Beweismittel andere Regeln soweit ich weiss. Ist es möglich, dass im Strafverfahren ein Freispruch ergeht, weil die Dashcam Aufzeichnungen nicht verwertet wenden können, hingegen im Administrativverfahren werden sie zugelassen?
Bezüglich der Hypothese legaler staatlicher Beweiserhebungen ist m.E. das von Ihnen kommentierte Urteil BGer 6B_53/2020 vom 14.07.2020 von besonderer Relevanz. Darin führt das Bundesgericht sinngemäss Folgendes aus: Bei der Frage, ob ein privates Beweismittel von den Strafbehörden rechtmässig hätte erlangt werden können, ist zu prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht für die private Beweiserhebung vorlag. Vorliegend ist die GOPRO soweit aus dem Urteil ersichtlich anlasslos gelaufen, so dass kein hinreichender Tatverdacht bestand. Bei viele Dashcam-Aufnahmen dürfte dies nicht anders sein. Interessant ist jedoch, dass das Bundesgericht dies in den Dashcam-Urteilen bislang nicht näher beleuchtet hat. Ich frage mich, woran das liegt.