Neuerliche Anhörung im Rückweisungsverfahren

Nachdem das Bundesgericht die vom Obergericht AG ausgesprochene Landesverweisung eines Flüchtlings kassiert hatte, blieb das Obergericht im Rückweisungsverfahren bei seinem Entscheid. Nun wird auch dieser neue Entscheid aufgehoben (BGer 6B_629/2020 vom 24.08.2020), weil der Betroffene zur aktuellen Situation nicht angehört wurde. Im Rückweisungsverfahren gelten bezüglich Anhörung folgende Regeln:

Allgemein erscheint eine erneute Anhörung dann als notwendig, wenn der Sachverhalt ergänzt wird, wenn der kantonalen Instanz ein weiter Ermessensspielraum bleibt oder wenn die rechtliche Beurteilung im bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheid derart vom angefochtenen Entscheid abweicht, dass im Neubeurteilungsverfahren von einer grundsätzlich neuen Lage ausgegangen werden muss (vgl. BGE 119 Ia 136 E. 2e) [E. 1.1].

Im vorliegenden Fall haben sich die Verhältnisse seit der Tat und v.a. seit der letzten Beurteilung geändert:

Das vom Bundesgericht aufgehobene Urteil der Vorinstanz datiert vom 11. Februar 2019. Die diesem Urteil zugrunde liegenden vorinstanzlichen Feststellungen basieren somit auf einem Sachverhalt, der zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils – vom 30. April 2020 – mehr als ein Jahr zurück lag. Unter diesen Umständen hätte die Vorinstanz, nicht zuletzt angesichts ihres Ermessensspielraums, dem Beschwerdeführer zumindest die Gelegenheit geben müssen, sich zu äussern und allfällige, relevante Änderungen geltend zu machen. Dies hat er in der vorliegenden Beschwerde denn auch getan, bringt er doch vor, seine persönliche Integration sei seither weiter fortgeschritten. Er habe ein Brückenangebot Integration an der Kantonalen Schule für Berufsbildung besucht und ein Berufspraktikum absolviert. Ausserdem werde er im August 2020 eine Lehre als Automobilassistent beginnen. Ferner hätten sich seine Deutschkenntnisse weiter verbessert und er besuche einen Samstagskurs. Schliesslich bewohne er seit dem 29. Juli 2019 ein eigenes möbliertes Zimmer, sodass auch insoweit eine Selbständigkeit bestehe. Die dargelegten Umstände sind durchaus geeignet, gegebenenfalls zu einer abweichenden Beurteilung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers führen zu können.  Die Vorinstanz, an welche die Sache zurückzuweisen ist, hat den Beschwerdeführer formell anzuhören und alsdann neu zu entscheiden (E. 1.2). 

Das Obergericht AG wird vermutlich auch im dritten Anlauf – nach der Anhörung – gleich entscheiden, sofern nicht noch weitere Änderungen eintreten.