Nicht verwertbares Selbstgespräch
HRRS 8-9/2012 enthält eine Urteilsbesprechung zu BGH 2 StR 509/10 vom 22.12.2011. Der BGH kassierte im zitierten Entscheid die Verurteilung von drei Angeklagten, die (auch) auf Aufzeichnungen von (Selbst-)Gesprächen in einem verwanzten Personenwagen beruhten. Er stützte sich auf ein Verwertungsverbot, das sich unmittelbar aus der Verfassung ergab: Menschenwürde und persönliche Freiheit müssen einen Kernbereich privater Lebensgestaltung und Lebensäusserung lassen, in welchen der Staat auch zur Aufklärung schwerer Straftaten nicht eingreifen darf.
Sowas würde ich gern wieder einmal von einem schweizerischen Gericht hören. Hier gilt Art. 141 Abs. 2 StPO:
Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich.
Dass sich ein Verwertungsverbot direkt aus der Verfassung ableiten lässt, was mir bei Verletzungen des Kerngehalts von Grundrechten als zwingend erscheint, habe ich jedenfalls in der schweizerischen Rechtsprechung noch nie angetroffen.
AHD628QXDPXW
Sehr geschätzter Kollege. Erlauben Sie mir für einmal folgende besserwisserische Ergänzung: Diese Art von Verwertungsverbot ist auch in der Schweiz bekannt und wird als “selbständiges Verwertungsverbot” bezeichnet, weil es sich nach einer rechtmässigen Beweiserhebung direkt aus der Verfassung ableitet. Art. 141 StPO ist in dem Sinn nicht einschlägig, da dieses nur Verwertungsverbote nach unrechtmässigen Beweiserhebungen regelt, sogenannte unselbständige Verwertungsverbote. In der Schweiz hat sich das Bundesgericht tatsächlich auch einmal mit einem solchen selbständigen Verwertungsverbot auseinandergesetzt, in 1P.519/2006. In Frage stand die Verwertung eines Tagebuchs. Im Resultat bejahte das Bundesgericht die Verwertung selbstverständlich, dies im Gegensatz zu der sehr differenzierten und überzeugenden deutschen Rechtsprechung.
Herzlichen Dank für den Hinweis, der nicht besserwisserisch, sondern klug und richtig ist. Hier die Links zu den beiden Tagebuchentscheiden:
– BGer 1P.519/2006 vom 19.12.2006; mein damaliger Beitrag dazu.
– BVerfGE 80, 367