Nichtiger Freispruch?

Welch seltsame Blüten die schweizerische Strafjustiz treiben kann, zeigt ein Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, das einen formell rechtskräftigen Freispruch aufheben wollte. Das Bundesgericht korrigiert (BGer 6B_744/2008 vom 23.01.2009):

Der Bezirksgerichtspräsident von Zofingen war sachlich, örtlich und funktionell zur Behandlung der Einsprache des Beschwerdeführers gegen den Strafbefehl zuständig. Er hat „bloss“ übersehen, dass im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Einsprache nicht mehr hängig war. Er hat damit zwar einen Verfahrensfehler begangen, aber keine grundlegende Zuständigkeitsvorschrift verletzt, was ohne weiteres zur Annahme von Nichtigkeit führen würde. Der Fehler ist zudem aus dem Entscheid vom 8. Mai 2006 selber, der keine Erwägungen zum Verfahren enthält, nicht ersichtlich. Das Erkennen des Fehlers setzt vielmehr das Studium der Verfahrensakten voraus. Er ist somit weder offensichtlich noch leicht erkennbar. Im Bereich des Strafrechts ist zudem die Rechtssicherheit von besonderer Bedeutung. Es geht unter diesem Gesichtspunkt nicht an, allenfalls noch nach Jahren ein unangefochten gebliebenes und in formelle Rechtskraft erwachsenes Strafurteil nichtig zu erklären, dessen fehlerhaftes Zustandekommen ohne Aktenkenntnis nicht erkennbar ist. Das Obergericht hat den umstrittenen Freispruch zu Unrecht nichtig erklärt und ihm damit jede Rechtswirksamkeit abgesprochen. Die Rüge ist begründet (E. 1.3, Hervorhebungen durch mich).

Die Verletzung grundlegender Zuständigkeitsvorschriften führt ohne weiteres zur Annahme von Nichtigkeit eines Urteils. Beim gestern zitierten Fall handelte es sich wohl um eine nicht grundlegende Zuständigkeitsvorschrift.