Nichtiger Gerichtsentscheid
Das Bezirksgericht Zürich, ZMG, hat ein Entsiegelungsverfahren als gegenstandslos abgeschrieben ab, nachdem es auf die Daten eines sichergestellten Smartphones nicht zugreifen konnte. Es verfügte die Rückgabe der sichergestellten Gegenstände und auferlegte dem Inhaber Kosten von über CHF 5,000.00.
Allein die Kostenentscheid ist ja schon schräg genug, aber damit nicht genug. Die Verfügung erging lange nachdem der Inhaber vom Sachrichter rechtskräftig beurteilt worden war. Das Bundesgericht qualifiziert die Verfügung des ZMG daher als nichtig (BGer 7B_294/2023 vom 03.12.2024):
Nachdem die Anklagebehörde die Anklageschrift dem erstinstanzlichen Gericht am 26. Juli 2021 übermittelt und damit das Vorverfahren beendet hatte (vgl. Art. 318 Abs. 1, 324 Abs. 1 StPO), ging die Zuständigkeit hinsichtlich der Frage der Entsiegelung auf das Bezirksgericht Uster über (Art. 328 Abs. 1 StPO in Verbindung mit aArt. 248 Abs. 3 lit. b StPO), denn damit wurde das Verfahren beim Gericht rechtshängig. Nichts daran ändert der Umstand, dass die Entsiegelung infolge technischer Schwierigkeiten in Bezug auf das Apple iPhone X bis zu jenem Zeitpunkt nicht vollzogen werden konnte. Der Entsiegelungsbehörde, d.h. dem Bezirksgericht Zürich als Zwangsmassnahmengericht, fehlte es im Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung am 25. April 2023 an der Befugnis, über das Schicksal des Entsiegelungsverfahrens, die Freigabe der Gegenstände, die vom Siegelungsverfahren betroffen waren, und die dort angefallenen Kosten zu entscheiden. Über die Freigabe der von der Siegelung betroffenen Gegenstände wie auch über die Verfahrenskosten als solche hatte am 5. Mai 2022, ein knappes Jahr vor der angefochtenen Verfügung, das zuständige erstinstanzliche Sachgericht entschieden. Es liegt ein offensichtlicher, besonders schwerer und leicht erkennbarer Zuständigkeitsmangel des Bezirksgerichts Zürich als Zwangsmassnahmengericht vor. Die angefochtene Verfügung ist somit nichtig. Die weiteren Rügen brauchen bei diesem Ausgang des Verfahrens nicht beurteilt zu werden (E. 2.3, Hervorhebungen durch mich).
Das Sachgericht hatte übrigens im Sachurteil die Herausgabe der nämlichen Gegenstände längst verfügt, was das ZMG gewusst haben muss. Es suchte offenbar einfach einen Weg, auf dem es noch Kosten erheben konnte.
Also (eventual-)vorsätzliche rechtswidrige Kostenauflage des ZMG, weil es wusste / gewusst haben musste, dass es
a) nicht mehr zuständig ist und
b) das zuständige Sachgericht die Herausgabe der Gegenstände längst verfügt hatte.
Das BGer verschweigt den sich folglich aufdrängenden Verdacht des Amtsmissbrauchs (Art. 312). Übrigens ein Offizialdelikt – theoretisch. Denn ein Blick allein in die bundesgerichtliche Praxis zeigt, dass auf entsprechende Beschwerden kaum einmal eingetreten und schon gar nicht verurteilt wird. Der Amtsmissbrauch bleibt toter Buchstabe.
Deshalb vorsorglich ein paar hypothetische Erklärungsvorschläge für das anonyme ZMG: Arbeitsüberlastung, dumm gelaufen, nichts für ungut, ein begreifliches Versehen, usw.
P.S.
“Fr. 4’939.65 Kosten Sachverständiger” (Sachverhalt B.b). Sachverständig, obwohl gescheitert Sperrcode und Passwort nicht entschlüsselt)?
Man stelle fest: Das Bundesgericht benötigt für einen solchen Entscheid ca. 17 Monate (ab Spruchreife!).