Nochmals: Rechtsmittel im Nachverfahren
Das zulässige Rechtsmittel gegen Entscheide aus selbstständigen Nachverfahren gemäss Art. 363 ff. StPO ist bekanntlich die Beschwerde (vgl. BGE 141 IV 396 E. 3.1 und 4.7), die aber so sehr der Berufung anzunähern ist, dass sie faktisch dann halt doch eine Berufung ist.
In einem neuen Entscheid hat das Bundesgericht nun aber festgehalten, das führe nicht zwingend zu einer mündlichen Anhörung (BGer 6B_799/2017 vom 20.12.2017):
Die Ansicht des Beschwerdeführers, in Verfahren betreffend die Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme sei eine mündliche Anhörung vor Beschwerdeinstanz absolut zwingend, ist unzutreffend (E. 2.4).
Im konkreten Fall war eine Anhörung dann aber eben doch unverzichtbar:
Entscheidender sind der Umfang und die Qualität sowohl der erstinstanzlichen Befragungen als auch des Gutachtens. Die Vorinstanz ist zwar der Ansicht, der Beschwerdeführer und der Gutachter seien eingehend befragt worden. Von besonders umfangreichen Befragungen geht die Vorinstanz indessen nicht aus und mit deren Qualität setzt sie sich nicht näher auseinander. Sie hält demgegenüber fest, dass sich der Beschwerdeführer vor erster Instanz einer Befragung durch den Sachverständigen widersetzt habe und er und sein Verteidiger ihm keine Zusatzfragen gestellt hätten (angefochtener Beschluss, E. 3c S. 10). Aus den vorinstanzlichen Erwägungen erschliesst sich nicht, ob sie auch aufgrund der Verhaltensweise des Beschwerdeführers an der mündlichen Verhandlung vor erster Instanz kaum neue Erkenntnisse erwartet oder ob sie die Befragungen nicht zumindest implizit doch als unvollständig erachtet. Der Beschwerdeführer widersetzte sich denn auch nicht jeglichen Befragungen, sondern lediglich einer solchen durch den Sachverständigen. Es ist folglich nicht von vornherein auszuschliessen, dass der Beschwerdeführer zumindest auf gerichtliche Fragen hin aussagt und neue Erkenntnisse ermöglicht, insbesondere nachdem seine Anträge zuvor abgewiesen wurden. Die Beschwerde ist in diesem Punkt begründet (E. 2.4).
Daraus leite ich ab, dass kaum je auf eine mündliche Anhörung verzichtet werden darf. Es ist auch nicht einzusehen, dass es einem Richter nicht zuzumuten sein soll, eine Person für weitere – in der Regel – fünf Jahre wegzusperren, ohne sich einen persönllichen Eindruck verschafft zu haben.
Schön und gut, aber was ist denn dieser “persönliche Eindruck” genau? Man kann sich doch auch bei einer Anhörung von einer Stunde kein wirkliches “Bild” von einem Menschen machen. Woraus erschliesst sich denn dieser “persönliche Eindruck”? Aus den Kleidern, die der Betroffene an hat oder aus seiner Frisur oder aus der Anzahl Sätze, die er sagt? Aus seiner Mimik und Gestik (aus der man ja bekanntlich gar nichts ableiten kann, wie man aus der Aussagepsychologie weiss)? Und wenn der “persönliche Eindruck” trügt? Wie merkt man nach objektiven Kriterien (und nach welchen?), ob der Schein trügt? Neue Aussagen, die “neue Erkenntnisse ermöglichen” zielen auf den Inhalt der Aussage. Aber dafür braucht es keine mündliche Anhörung… Inhalt kann auch schriftlich vorgetragen werden…
Dem allem ist schwer zu widersprechen. Vielleicht hat es eher mit Respekt und Anstand zu tun, dass man einen Menschen persönlich anhört, den man für weitere fünf Jahre wegsperrt. Vielleicht reicht aber eine Stunde, um festzustellen, dass dieser Mensch vielleicht doch nicht so viel anders bzw. so schwer gestört ist.