Nochmals zur Durchsuchung von Smartphones
In einem heute online gestellten Entscheid weist das Bundesgericht die Beschwerde gegen die Entsiegelung eines Smartphones ab (BGer 1B_243/2020 vom 26.02.2021). Hier fällt das Bundesgericht wieder auf seine grossen Datenmengen und die entsprechende Substantiierungspflicht zurück (vgl. meinen letzten Beitrag). Ein von Amts wegen zu beachtendes Berufsgeheimnis anerkennt es nicht und es geht offenbar davon aus, die über das Smartphone zugänglichen Dateien in der Cloud dürften auch durchsucht werden:
Die Auffassung des Beschwerdeführers, die Substanziierungsobliegenheit sei auf das Anwaltsgeheimnis (Art. 171 Abs. 1 i.V.m. Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO) nicht anwendbar, findet in der oben dargelegten einschlägigen Rechtsprechung keine Stütze. Entgegen seiner Ansicht genügt es nicht, wenn der Betroffene, der ein Entsiegelungshindernis geltend macht, einfach pauschal behauptet, es befänden sich unter den sichergestellten elektronischen Aufzeichnungen solche, die einem Berufsgeheimnis (wie z.B. dem Anwaltsgeheimnis) unterstünden. Auch in der von ihm angerufenen Literatur wird dies nicht vertreten. Vielmehr wird dort – in Übereinstimmung mit der Bundesgerichtspraxis – ausgeführt, dass nur “bei offensichtlichen Geheimnissen, d.h. im Falle von Durchsuchungen bei Berufsgeheimnisträgern”, auf die nähere Konkretisierung von geschützten Geheimnisrechten verzichtet werden könne (Thormann/Brechbühl, in: Basler Kommentar StPO, 2. Aufl. 2014, Art. 248 N. 36). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Ebenso wenig legt der Beschwerdeführer nachvollziehbar dar, weshalb eine sachgerecht praktizierte Substanziierungsobliegenheit im Entsiegelungsverfahren dazu führen würde, dass der Inhaber von sichergestellten Aufzeichnungen die angerufenen Berufsgeheimnisse bereits inhaltlich offenlegen müsste. Wenn der Inhaber von elektronisch gespeicherten Dateien kurze Angaben darüber macht, in welchen der umfangreichen Datenspeicher und Applikationen (inklusive Cloud-Apps) sich geschützte Anwaltskorrespondenz befinden könnte, um dem Entsiegelungsrichter damit eine sachgerechte gezielte Triage von sehr umfangreichen Aufzeichnungen zu ermöglichen, werden damit keine Berufsgeheimnisse inhaltlich preisgegeben. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer auch im Verfahren vor Bundesgericht keinerlei Angaben zur Art der angeblich betroffenen Anwaltskorrespondenz oder zu deren Speicherort gemacht. Seine Vorbringen erschöpfen sich in der blossen Behauptung, irgendwo könnten sich irgendwelche vom Anwaltsgeheimnis geschützte Aufzeichnungen befinden. Dass die Vorinstanz aus solchen unsubstanziierten Vorbringen kein gesetzliches Entsiegelungshindernis ableitete, hält vor dem Bundesrecht stand. Es ist nicht die Aufgabe des ZMG (oder des Bundesgerichtes im Beschwerdeverfahren), von Amtes wegen danach zu forschen, in welchen der umfangreichen sichergestellten Dateien sich allenfalls geheimnisgeschützte anwaltliche Unterlagen befinden könnten (E. 3.2, Hervorhebungen durch mich).
Tja, wo ist denn der Speicherort auf dem Smartphone? In der App? In der Cloud? Wer weiss sowas? Reicht es zu sagen, es gebe in der App “X-Mail” Anwaltskorrespondenz (die möglicherweise gar nicht auf dem Smartphone gespeichert ist)?
Ehrlich gesagt erwarte ich von meinen Berufskollegen wirklich soviel, dass sie angeben können, wo sie auf ihren beschlagnahmefähigen Mobilegeräten (also nicht nur Handies, sondern auch Tablets und Notebooks) im “dual use” (privat und “anwaltlich-geschäftlich”) ihre geschäftlichen, also anwaltlichen Daten abgelegt haben. Gleiches gilt ja auch für die Speicherung “in der Cloud” (wo der Anwalt ja schon aus Gründen des Berufsgeheimnisses Übersicht und Gewissheit haben sollte, wo “das Zeugs” liegt). Im Entsiegelungsverfahren genügt es dann, darzulegen, dass sich Berufsgeheimnisse in den DAtenordnern zu den Apps A, B, C etc. befinden. Wenn ein Anwalt nur weiss, dass sich irgendwo auf seinem Mobilgerät oder in seinen Cloud-Abos Berufsgeheimnisse befinden, wirft Fragen hinsichtlich Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit bei der Berufsausübung auf. Entsprechende Eingaben sollte der Entsiegelungsrichter gleich an die zuständige Aufsichtsbehörde weiterleiten.
Man müsste sagen, “In der App X befindet sich Anwaltskorrespondenz, welche anhand des der Mailadresse RA@domain.xyz auszusondern ist.”
So schwer ist das nicht.
Aber vermutlich gab’s hier ja eben gar keine Anwaltskorrespondenz, das macht die Substantiierung natürlich viel schwieriger. Insofern gut gespielt vom Verteidiger. If life gives you lemons…
Spannender zum Speicherort finde ich hier das Grundsätzliche Thema der Beschlagnahme & des Siegels. In der Regel wird nur das Physische Gerät sichergestellt, der Durchsuchungsbefehl wird selten auf Clouddaten lauten.
Werden diese nicht „sichergestellt“ und in der Folge versiegelt, unterliegen Sie auch keinem Veränderungsverbot. Man kann Sie also Straffrei löschen.
Im übrigen liegen diese Daten in der Regel ja nicht bei der Beschuldigen Person, sondern bei einem Drittanbieter, wenn der Betroffene nocht Mitwirkt und sich über das Gerät nicht ohne weiteres Zugang zu den Clouddaten erhalten lässt, darf die Strafverfolgungsbehörde sicht nicht bei zB Apple einhacken sondern muss ein Rechtshilfeersuchen stellen.
“Seine Vorbringen erschöpfen sich in der blossen Behauptung, irgendwo könnten sich irgendwelche vom Anwaltsgeheimnis geschützte Aufzeichnungen befinden. Dass die Vorinstanz aus solchen unsubstanziierten Vorbringen kein gesetzliches Entsiegelungshindernis ableitete, hält vor dem Bundesrecht stand.”
Herr Kollege, Sie machen die Hervorhebungen am falschen Ort!!!
John hat insoweit Recht, als die sich auf einem beschlagnahmten Mobilgerät abgespeicherten Zugangsdaten zu einer Cloud-Speicherlösung von den Strafverfolgungsbehörden nicht für einen Zugriff auf den Cloudspeicher genutzt werden dürfen. MIt einem in der zu durchsuchenden Wohnung gefundenen Schlüssel darf man ja auch nicht gleich die Nachbarwohnung durchsuchen – jedenfalls nicht ohne entsprechende Durchsuchungsanordnung. Befinden sich aber auf dem Mobilgerät Kopien von in der Cloud abgelegten Dateien, dann kann darauf grundsätzlich zugegriffen werden. M.E. sogar wenn es sich nur um temporäre Kopien handelt.
Zum Thema “Cloud und Rechtshilfe” wäre noch zu vermelden, dass immer noch strittig ist, ob ein Schweizer Anwalt dem Berufsgeheimnis unterliegende Daten auf einer ausländischen Cloud ablegen darf. Ich denke, dass ja, wenn der Staat, im dem gespeichert wird, das schweizerische Berufsgeheimnis anerkannt ist. In EU/EWR-Staaten dürfte das aufgrund des Freizügigkeitsabkommens gewährleistet sein.