Notwendige Verteidigung erst nach Anklageerhebung?

Das Bundesgericht kassiert ein Urteil aus dem Kanton Appenzell I.Rh., weil es auf Aussagen basierte, welche der Beschuldigte unter dem Regime des bisherigen kantonalen Verfahrensrechts ohne Verteidigung gemacht hatte. Erst als feststand, dass die zuständige Staatsanwältin die Anklage vor der ersten Instanz vertreten würde, habe gestützt auf Art. 32 Abs. 1 lit. d StPO/AI Anlass bestanden, den Beschwerdeführer zu verbeiständen.

Das Bundesgericht (BGer 6B_370/2011 vom 17.04.2012) widerspricht:

Im vorliegenden Fall beantragte die Staatsanwaltschaft in erster Instanz eine Freiheitsstrafe “nicht unter zwölf Monaten” und das Gericht setzte die Einsatzstrafe auf 40 Monate fest. Bedenkt man, dass der Beschwerdeführer schliesslich zu genau 24 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde und dass die dem Beschwerdeführer zugebilligte Strafmilderung hauptsächlich auf die sehr lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, wird deutlich, dass bereits im Untersuchungsverfahren bei objektiver Betrachtung eine Freiheitsstrafe von mehr als 24 Monaten im Raum stand. Die Vorinstanz verfällt in Willkür, wenn sie bei dieser Ausgangslage eine notwendige Verteidigung mit dem Argument verneint, dem Beschwerdeführer habe keine Strafe von über 24 Monaten gedroht.
Die Aussagen des Beschwerdeführers im Untersuchungsverfahren sind aufgrund der fehlenden Verteidigung in diesem Verfahrensstadium nicht verwertbar. Indem die Vorinstanz dennoch darauf abstellt, verletzt sie Bundesrecht. Bei dieser Sachlage erübrigen sich weitere formell- und materiellrechtliche Ausführungen (E. 2.6).

Nicht klar ist mir, wieso die Aussagen damit unverwertbar sind. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erscheint mir das nicht als zwingend. Vielleicht kamen auch einfach zu viele krasse Verfahrensfehler ans Licht, die das Bundesgericht nicht mehr beurteilen musste, die aber wohl ebenfalls die Unverwertbarkeit zur Folge gehabt hätten. Hier noch ein kleines Muster aus der Beschwerde, das bestimmt frei erfunden ist, denn sowas kommt im Rechtsstaat Schweiz selbstverständlich nicht vor:

Der Beschwerdeführer bringt schliesslich erhebliche Vorwürfe zu den Haftbedingungen und zum Untersuchungsverfahren vor. So habe er Protokolle unterschreiben müssen, die er nicht habe durchlesen dürfen. Er sei in der Untersuchungshaft in einer eiskalten engen Einzelzelle gehalten worden und habe zuweilen kein Mittagessen erhalten. Die Untersuchungsrichterin habe ihm zudem gedroht, er müsse so lange in der Zelle bleiben, bis er alles unterschrieben habe, was sie wolle (Beschwerde, S. 17).