“Nulla poena sine lege” gilt eben doch!

Das Bundesgericht kassiert die Verurteilung einer Hundehalterin nach Bundesrecht, deren Hund einen Menschen gebissen hatte. Der Bundesrat ist gemäss Bundesgericht nur kompetent ist, Vorschriften über die Tierhaltung zu erlassen und unter Strafe zustellen (BGer 6B_26/2022 vom 09.03.2022, Fünferbesetzung). Das Bundesgericht hat ohne entsprechende Rüge (Art. 106 Abs. 1 BGG) festgestellt, dass Art. 77 TSchV (i.V.m. Art. 28 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 TSchG) nicht als Strafnorm anwendbar ist:

Die Beschwerdeführerin wurde gestützt auf Art. 77 TSchV i.V.m. Art. 28 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 TSchG verurteilt, weil ihr Hund einen Menschen gebissen und diesem damit Schaden zugefügt hat. Der Schuldspruch betrifft somit den Teilgehalt resp. Anwendungsbereich von Art. 77 TSchV, bei dem es einzig um den Schutz der Bevölkerung vor Gefährdungen oder Verletzungen durch Hunde geht. Insoweit ist Art. 77 TSchV sicherheitspolizeilich motiviert und lässt sich nicht mit der verfassungsmässigen Kompetenzordnung vereinbaren. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend Gründe des Tierschutzes relevant gewesen oder gar im Vordergrund gestanden hätten, sind keine auszumachen. Dem auf Bundesrecht gestützten Schuldspruch wegen “Missachtung der Vorschriften über die Tierhaltung” fehlt es deshalb an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage und er verletzt den Grundsatz der Legalität (“keine Strafe ohne Gesetz”) [E. 3.5.2].

Was bleibt ist der Schuldspruch nach kantonalem Recht (§ 19 HuG) und der Schadenersatz von CHF 56.70. Gewonnen hat die Beschwerdeführerin daher nur die Beschwerde. Was der Bund nicht bestraft, bestraft der Kanton.