Nulltoleranz bei Cannabis im Strassenverkehr

Das Bundesgericht bleibt trotz Kritik aus der Lehre bei seiner Nulltoleranz-Rechtsprechung im Strassenverkehrsrecht auch im Zusammenhang mit Cannabis (BGE 6B_282/2021 vom 23.06.2021, Publikation in der AS vorgesehen). Der Nachweis der Substanz genügt demnach weiterhin für eine Verurteilung nach Art. 91 Abs. 2 lit. b SVG (“aus anderen Gründen fahrunfähig”).

[…]. Tatsächlich erwähnte der Bundesrat in der Botschaft zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes vom 31. März 1999 ausdrücklich, für gewisse Substanzen sei es “auch denkbar, dass ein Nullgrenzwert eingeführt wird”. Dies – so der Bundesrat weiter – “würde bedeuten, dass der Nachweis der entsprechenden psychoaktiven Substanz im Blut im Zeitpunkt der Fahrt für eine Verurteilung genügen würde”. In erster Linie sei hier an “harte Drogen” wie Heroin und Kokain zu denken. Denkbar seien auch “Totalverbote anderer Stoffgruppen sowie von Kombinationen verschiedener Wirkstoffe” (BBl 1999 4462, 4495). Unter Berücksichtigung des historischen Auslegungselements handelte der Bundesrat demnach durchaus im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse, wenn er in Art. 2 Abs. 2 lit. a VRV die Fahrunfähigkeit alleine davon abhängig machte, dass im Blut des Fahrzeuglenkers Tetrahydrocannabinol (Cannabis) nachgewiesen wird, und ebenso das Bundesamt für Strassen, wenn es – der bundesrätlichen Verordnungsbestimmung folgend – in Art. 34 lit. a der VSKV-ASTRA einen Bestimmungsgrenzwert festlegte. Die getroffene Regelung ist zumindest nicht unhaltbar, zumal auch nach dem heutigen Stand der Wissenschaft keine (etwa mit Alkohol vergleichbare) zuverlässige Korrelation zwischen der THC-Konzentration im Blut und der Wirkung besteht (siehe dazu den vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Basel im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit [BAG] erstellten Bericht THC-Grenzwerte im Strassenverkehr, Eine Literaturanalyse, Dezember 2020, S. 13 und 20, <https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/das-bag/publikationen/forschungsberichte/forschungsberichte-sucht/forschungsberichte-cannabis.html>, besucht am 4. Juni 2021). Indem der Beschwerdeführer argumentiert, es existierten bessere bzw. geeignetere Ansätze, um die Auswirkungen des Cannabis-Konsums auf die Fahrfähigkeit zu beurteilen, wendet er sich gegen die – der bundesgerichtlichen Überprüfungsbefugnis entzogene – Ermessensausübung des Bundesrats als Verordnungsgeber. Der THC-Grenzwert im Strassenverkehr mag zwar diskussionswürdig sein, wie die Empfehlungen auf S. 33 ff. des zitierten Berichts zeigen. Dass eine andere Lösung ebenfalls vertretbar oder gar vorzuziehen wäre, macht den aktuell geltenden Grenzwert jedoch entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht willkürlich (siehe BGE 141 III 564 E. 4.1; 140 III 16 E. 2.1) [E. 3.3.3].

Damit bleibt es bei der im Strafrecht an sich verpönten Beweisregel, welche ein Bundesamt gestützt auf eine Verordnung des Bundesrats (SKV) gestützt auf Art. 55 Abs. 7 SVG geschaffen hat: Art. 34 lit. a VSKV-ASTRA. Bestraft wird faktisch nicht die Fahren im Zustand der Fahrunfähigkeit, sondern der Nachweis des Konsums.

Die vom Bundesgericht zitierte Studie ist übrigens hier zugänglich.