Obergericht Aargau an einem neuen Tiefpunkt

Das Obergericht des Kantons Aargau kürzt die Kostennote eines Verteidigers um 75 Prozent. Das Bundesstrafgericht kassiert und gibt dem Obergericht Gelegenheit, es nochmals zu versuchen (BStGer BB.2019.128 vom 10.12.2019).

Erstinstanzlich erreichte die Verteidigung einen Freispruch. Das OGer AG verurteilte den Beschuldigten dann aber wegen versuchter vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren. Sein Urteil umfasste 113 Seiten. Es fanden Schriftenwechsel, zusätzliche Beweiserhebungen und eine Berufungsverhandlung statt. Die vom Verteidiger im Berufungsverfahren geltend gemachte Entschädigung für die amtliche Verteidigung von CHF 19,239.65 erachtete das OGer als überhöht und kürzte sie auf CHF 5,000.00 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer). Es störte sich bereits an der erstinstanzlichen Kostennote des Verteidigers, was es gemäss BStGer wie folgt begründete:

Das Bezirksgericht habe den Beschuldigten freigesprochen. Angesichts dessen sei die Kostennote des Verteidigers vom 11. Januar 2019 klar überhöht (E. 2.1)..

Mit anderen Worten brauchte es ja gar keine Verteidigung. Der Kostenentscheid des OGer wird übrigens kassiert, weil das OGer AG seinen Entscheid nicht genügend begründet hat. Im Gegensatz zum Verteidiger, hat es seine gesetzliche Pflicht verletzt.

Zur Ehrenrettung eines Teils des Spruchkörpers merkt das kassierte Urteil an,

dass eine Minderheit der Strafkammer angesichts der Komplexität der Beweislage den notwendigen Aufwand als klar grösser einschätze und eine deutlich höhere Entschädigung zugesprochen hätte (E. 2.1).

Was soll man dazu sagen? Ist man sich in Aarau bewusst, dass ein Verteidiger gesetzliche Sorgfaltspflichten zu erfüllen hat? Der von der Verteidigung geltend gemachte Aufwand ist angesichts der Bedeutung des Falls aus meiner Sicht eher zu tief als zu hoch.