Öffentliches Interesse an sicheren Liftaufzügen
Das Bundesgericht verweigert einem Beschuldigten die Anwendung von Art. 53 StGB, weil er “die Normverletzung nicht anerkannt hat” (BGer 6B_344/2013 vom 19.07.2013). Diese bestand darin, dass der Beschuldigte eine ungesicherte Öffnung in einem Personenlift nicht sichern liess. Ein Kind kletterte durch die Öffnung, wurde durch die Bewegung des Lifts eingeklemmt und erstickte. Dafür wurde der Beschuldigte in seiner Stellung als Geschäftsführer des Verwaltungsunternehmens und verantwortliche Person für die betreffende Liegenschaft verantwortlich gemacht.
Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, indem sie von einer Strafbefreiung im Sinne von Art. 53 StGB absieht. Insbesondere darf sie darauf abstellen, dass der Beschwerdeführer die Normverletzung nicht anerkannt hat. Sie berücksichtigt zu Recht, dass weitere Benützer des Lifts gefährdet worden sind. Daran ändert nichts, dass neben dem Opfer keine weiteren Kinder in der Liegenschaft wohnen. Die Vorinstanz erwägt zutreffend, dass ein öffentliches Interesse an sicheren Personenaufzügen besteht (E. 4.4).
Die theoretischen Grundlagen umschreibt das Bundesgericht wie folgt:
Selbst wenn sich die Tatschwere im Rahmen von Art. 53 lit. a StGB hält und volle Wiedergutmachung geleistet wurde, führt dies nicht zwingend zum Entfallen des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung. Zu beurteilen bleibt, ob die Verhängung einer Strafe unter spezial- oder generalpräventiven Gesichtspunkten notwendig erscheint. Aus Sicht der positiven Generalprävention kann das Vertrauen der Allgemeinheit in das Recht gestärkt werden, wenn festgestellt wird, dass auch der Täter den Normbruch anerkennt und sich bemüht, den Rechtsfrieden wiederherzustellen. Spezialpräventive Überlegungen sind bereits beim Entscheid über den bedingten Strafvollzug zu berücksichtigen. Da die Gewährung des Strafaufschubs eine Voraussetzung der Wiedergutmachung ist, spielen sie bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses nach Art. 53 StGB nur eine untergeordnete Rolle. Während die Strafzwecke ganz allgemein zu berücksichtigen sind, ist bei der Beurteilung der öffentlichen Strafverfolgungsinteressen im konkreten Fall insbesondere auch nach den geschützten Rechtsgütern zu unterscheiden. Art. 53 StGB nimmt explizit Bezug auf die Wiedergutmachung des begangenen Unrechts. Worin dieses Unrecht liegt, definieren die einzelnen Tatbestände. Bei Straftaten gegen individuelle Interessen und einem Verletzten, der die Wiedergutmachungsleistung akzeptiert, wird häufig auch das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung entfallen. Bei Straftaten gegen öffentliche Interessen ist zu beurteilen, ob es mit der Erbringung der Wiedergutmachung sein Bewenden haben soll oder ob sich unter Gesichtspunkten des Schuldausgleichs und der Prävention weitere strafrechtliche Reaktionen aufdrängen. Der Täter muss jedenfalls die Normverletzung anerkennen und sich bemühen, den öffentlichen Frieden wiederherzustellen (BGE 135 IV 12 E. 3.4.3 und E. 3.5.3; Urteil 6B_152/2007 vom 13. Mai 2008 E. 5.2.3; je mit Hinweisen) [E. 4.3].
Ob eine Strafbefreiung hier tatsächlich das Vertrauen der Bevölkerung in den Bestand der Rechtsordnung gefährdet hätte, wage ich zu bezweifeln. Ich bezweifle auch, dass der Vorgang – so tragisch er auch war – den “öffentlichen Frieden” zerrüttet hat. Was mich an der Rechtsprechung des Bundesgerichts am meisten irritiert ist, dass Art. 53 StGB offenbar nur zur Anwendung kommen kann, wenn ein Geständnis nicht nur im Bezug auf den Sachverhalt vorliegt, sondern der Beschuldigte auch anerkennen muss, dass dieser Sachverhalt strafrechtlich relevant ist. Er schliesst mit anderen Worten auch eine Verteidigung mit rein rechtlichen Argumenten aus.
Das viel strapazierte “Vertrauen der Bevölkerung” geht vermutlich primitiv entlang der Linie, dass auf jede Tat unmittelbar die sog. _gerechte_ Strafe folgen muss.
Und wenn einer so stur ist die Strafbarkeit nicht einzusehen muss dann eben die Strafe sein – ganz einfach oder?