Ordnungsvorschriften und Ordnungsfristen
Die Rechtsprechung unterscheidet bekanntlich zwischen Vorschriften, die gelten, und solchen, die eigentlich auch gelten, aber letztlich dann eben doch nicht. Letztere nennt man Ordnungsvorschriften bzw. Ordnungsfristen. Dabei handelt es sich in der Regel um solche, welche die Behörden zu beachten haben.
In einem heute publizierten Urteil hat das Bundesgericht entscheiden, dass “unverzüglich” i.S.v. Art. 278 Abs. 3 StPO eine Ordnungsfrist ist (BGer 1B_92/2019 vom 02.05.2019), deren Verletzung auch dann keine Folgen hat, wenn sie um über zwei Monate verpasst wird und wenn die unverzüglich zu genehmigenden Zufallsfunde bereits vor Vorliegen der Genehmigung verwendet werden:
2.4. Das Genehmigungsverfahren nach Art. 278 Abs. 3 StPO ist vor dem Hintergrund des mit der Überwachung einhergehenden schweren Eingriffs in die Privatsphäre (Art. 13 BV) zu betrachten (Urteil 1B_411/2016 vom 17. Januar 2017 E. 1.2.2). Allerdings ist danach zu unterscheiden, ob die Überwachung ausgedehnt oder, wie vorliegend, lediglich ein Zufallsfund genehmigt werden soll (…). Im letzteren Fall ist von Bedeutung, dass ein Zufallsfund nicht zwingend sofort, sondern möglicherweise erst mit zunehmender Aktenkenntnis als solcher überhaupt erkennbar wird (…). Bereits die mit diesem Umstand einhergehende Unsicherheit darüber, ab welchem Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft erwartet werden kann, “unverzüglich” ein Genehmigungsverfahren einzuleiten, spricht dafür, diese Vorgabe als Ordnungsvorschrift zu verstehen, deren Verletzung nicht die Unverwertbarkeit des Beweises zur Folge hat (vgl. Urteil 1B_59/2014 vom 28. Juli 2014 E. 4.8 betr. Art. 274 Abs. 1 StPO). Jedenfalls soweit der Zufallsfund vor seiner Genehmigung nicht verwendet wurde, ist der Staatsanwaltschaft denn auch gemäss der Rechtsprechung kein Vorwurf zu machen (Urteil 1B_274/2015 vom 10. November 2015 E. 3.2, nicht publ. in BGE 141 IV 459). Daran hat der vom Beschwerdeführer angeführte BGE 144 IV 254 nichts geändert. In jenem Fall fehlte die Genehmigung, während vorliegend eine solche erfolgte, wenn auch nach Ansicht des Beschwerdeführers verspätet.
2.5. Wie der Beschwerdeführer zu Recht vorbringt, wurde er allerdings anlässlich seiner Einvernahme vom 16. April 2018 mit den Überwachungsergebnissen konfrontiert. Insofern wurde der Zufallsfund noch vor seiner Genehmigung verwendet. Ein solches Vorgehen birgt die Gefahr, dass sich im Fall einer ausbleibenden Genehmigung die Frage der Fernwirkung des Verwertungsverbots stellt (Art. 277 Abs. 2 StPO). Im vorliegenden Fall ergeben sich jedoch trotz des späten Gesuchs der Staatsanwaltschaft insofern keine Probleme. Denn zum einen wurde das Gesuch vom Zwangsmassnahmengericht genehmigt und erhebt der Beschwerdeführer dagegen keine weitergehende Kritik, zum andern verlief die Einvernahme vom 16. April 2018 ohnehin ergebnislos, da der Beschwerdeführer die Aussage vollumfänglich verweigerte. Die Rüge der Verletzung von Art. 278 Abs. 3 StPO erweist sich deshalb als unbegründet.
Also: Wenn das ZMG das ordnungswidrig spät gestellte Gesuch genehmigt, liegt kein Problem vor.