Peinliche Honorarkürzung
Zurzeit ist das OGer AG wegen Honorarkürzungen in der öffentlichen Kritik. Dagegen, was sich nun aber das OGer GL leistet, muss die aargauische Praxis geradezu als beschuldigtenfreundlich qualifiziert werden. Seine Kritik an die Adresse der Verteidigung fällt dafür doppelt und dreifach auf das OGer GL selbst zurück, das in Willkür verfiel und u.a. übersehen hat, dass es an das kantonale Recht gebunden gewesen wäre.
Das Obergericht GL kürzte eine erstinstanzlich zugesprochene Parteientschädigung, obwohl sie gar nicht angefochten war. Und dann setzte es seine eigene Parteientschädigung erst noch willkürlich tief fest, und zwar ohne die eigenen Rechtsgrundlagen anzuwenden. Das Bundesgericht korrigiert (BGer 6B_1299/2018 vom 29.01.2019).
Zuerst zur Kürzung der erstinstanzlichen Entschädigung:
Indem die Vorinstanz die Parteientschädigung des Beschwerdeführers für das Untersuchungs- und erstinstanzliche Gerichtsverfahren ohne entsprechenden Antrag von sich aus zu seinen Ungunsten und trotz Bestätigung des erstinstanzlichen Freispruchs von Fr. 3’000.- auf Fr. 1’000.- kürzte, hat sie Bundesrecht, namentlich Art. 399 Abs. 1 und Art. 404 Abs. 1 StPO, verletzt (E. 2.4).
Bei der Entschädigung im Berufungsverfahren hat das OGer GL das kantonale Recht nicht angewendet. Dabei hat es unfreiwillig auch den Blick auf die vielerorts übliche Praxis gelenkt, dass für Rechtsmittel der Verwaltung nicht der vorgesehene postalische Übermittlung benützt wird. Das hat zur praktischen Folge, dass die Fristwahrung nicht objektiv überprüfbar ist;
Die Vorinstanz verletzt Bundesrecht und verfällt in Willkür, indem sie für das Berufungsverfahren die Entschädigung ermessensweise auf Fr. 800.– festsetzt und dabei kantonales Recht nicht anwendet bzw. die Entschädigung pauschal festsetzt, obschon dies im kantonalen Verfahrensrecht nicht vorgesehen ist. Mit dem in Art. 8 Entschädigungstarif vorgesehenen Stundenansatz von Fr. 180.– ergibt dies unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer von 7,7 % (entsprechend Fr. 13.86) einen von der Vorinstanz als angemessen erachteten Aufwand von 4,12 Stunden für das Rechtsmittelverfahren und erscheint daher im Ergebnis unhaltbar tief. Der Beschwerdeführer hatte entgegen den Erwägungen der Vorinstanz aufgrund der gesamten Umstände bezüglich des fristauslösenden Datums des Empfangs des Urteils durch die Beschwerdegegnerin allen Grund und war aufgrund der anwaltlichen Sorgfaltspflicht auch gehalten, die Rechtzeitigkeit der Berufungserklärung der Beschwerdegegnerin anzufechten. Wie sich aus den kantonalen Akten ergibt, trägt der fragliche Empfangsschein, der an den fallführenden Staatsanwalt adressiert ist, im Unterschied zu demjenigen an den Verteidiger des Beschwerdeführers keinen datierten Versand-Stempel des Gerichts und über der Adresse anstatt eines “A” ein “I” (…), was impliziert, dass das Urteil der Beschwerdegegnerin, wie das häufig gehandhabt wird, intern und nicht per Post zugestellt wurde. Diese Annahme wird noch dadurch verstärkt, dass auch auf dem Eingangsstempel der Vorinstanz vom 30. November 2017 auf dem Empfangsschein der Beschwerdegegnerin – wiederum im Unterschied zum Empfangsschein des Beschwerdeführers – kein (Post-) Aufgabeort und kein Aufgabedatum vermerkt ist (daselbst). Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, sah sich denn auch die Vorinstanz aufgrund der unklaren Sachlage dazu verpflichtet, mit begründetem Zwischenentscheid auf die Berufung einzutreten (…). Die Vorinstanz beurteilt die Frage der Entschädigungspflicht des anwaltlichen Aufwandes betreffend den Nichteintretensantrag aus einer “ex post”-Perspektive. Bei der Beurteilung der Angemessenheit des diesbezüglichen Aufwandes kann es jedoch nur auf Umstände ankommen, die im fraglichen Zeitpunkt bekannt waren und aufgrund welcher der Verteidiger zu entscheiden hatte, ob begründeter Anlass gegeben war, um tätig zu werden. Dass der Beschwerdeführer mit dem prozessualen Antrag in der Folge unterlag, darf jedoch für die Beurteilung der Angemessenheit seiner anwaltlichen Bemühungen keine Rolle spielen. Mithin ist der den Nichteintretensantrag betreffende Honoraraufwand des Beschwerdeführers bei der vorliegenden Sachlage grundsätzlich zu entschädigen.
[…].
Des weiteren erachtet die Vorinstanz offensichtlich den vom Verteidiger des Beschwerdeführers in der Kostennote vom 18. September 2018 aufgeführten Honoraraufwand im Betrage von Fr. 4’026.50 (inkl. Auslagen und MwSt.) als überhöht. Während sie die Kürzung des Aufwands für das Berufungsverfahren in Bezug auf den Nichteintretensantrag mit dem Unterliegen des Beschwerdeführers begründet, fehlt eine Auseinandersetzung mit der eingereichten detaillierten Honorarnote des Beschwerdeführers resp. der Darlegung des von ihr als angemessen beurteilten Verteidigungsaufwandes im konkreten Fall und eine Begründung für das Abweichen vom kantonalen Entschädigungstarif durch die pauschale Festsetzung der Entschädigung. Damit verletzt die Vorinstanz ihre Begründungspflicht. Angesichts der rudimentären vorinstanzlichen Begründung ist es weder dem Beschwerdeführer möglich, im Rahmen seiner Beschwerde aufzuzeigen, dass beziehungsweise inwiefern die Vorinstanz ihr Ermessen überschreitet, noch kann das Bundesgericht die Ermessensausübung der Vorinstanz überprüfen. Diese wird ihren Entscheid betreffend die Entschädigung des Beschwerdeführers für das Berufungsverfahren ausführlicher begründen müssen. Es erübrigt sich daher, weiter auf die Rüge einzugehen, die Vorinstanz überschreite bei der Festsetzung der Entschädigungshöhe ihr Ermessen und verfalle in Willkür (E. 3.4, Hervorhebungen durch mich).
Noch viel peinlicher sind die pauschalen Entschädigungen von i.d.R. Fr. 3000.00, die das Bundesgericht zuspricht. Meist ganz ohne Begründung zur Angemessenheit und falls doch, dann ist es meist eine ex post Betrachtung, wie sie vorliegend kritisiert wird.
Ist halt aber eben das Bundesgericht. Wasser predigen, Wein trinken oder an den anderen Rumnörgeln und es selber nicht ansatzweise besser machen.
ich als polnischer Anwalt habe diese Probleme nicht und es macht einen fragwürdigen Eindruck auf eure Justiz. . Bei uns gilt die Preisautonomie zwischen Vertreter und dem Vertretenen. An der Honorarnote ist vom Gericht nur bei Sittenwidrigkeit zu nörgeln, was aber auch nicht zu Kürzungen führt. Uns kritisieren aber selber Zustände haben wie bei ?
@Tades: wir Schweizer glauben, das Vorbilder für die ganze Welt zu sein und lieben es, andere Systeme zu kritisieren. Dabei kritisieren wir selbst Dinge, die bei uns nicht besser oder sogar noch schlechter sind. Aber es ist einfacher, also vor der eigenen Türe zu kehren.
Ohne die Verhältnisse in Polen zu kennen, mag ich es kaum glauben, dass irgendein Staat der Welt die von ihm ausgerichtete Entschädigung ausschliesslich daran misst, was der Vertreter in Absprache mit dem Vertretenen in „Preisautonomie“ vereinbart.