Pflichtwidriges Verhalten nach (Nicht-)Unfall?

Das Kantonsgericht LU hat einen Automobilisten wegen pflichtwidrigen Verhaltens nach Unfall verurteilt, obwohl ein Unfall nicht erstellt war (BGer 6B_470/2021 vom 27.09.2021).

Gemäss dem Polizeibericht vom 4. Juli 2019 seien am Fahrzeug von B. leichte und kleine Dellen und ein leichter, kleiner Lackschaden am Heck festgestellt worden. Bei Eintreffen der Polizei hätten sich die beiden Fahrzeuge noch in den Endpositionen befunden. Das Fahrzeug des Beschwerdeführers habe mit seiner Front das Heck des anderen Personenwagens touchiert. Da der Sachschaden kaum erkennbar gewesen sei, könne, gemäss Polizei, nicht genau ermittelt werden, welcher Schaden neu durch das Touchieren entstanden sei. Auf der Fotodokumentation seien, wenn überhaupt, nur kleine Kratzer am Lack erkennbar. Ob diese tatsächlich von der Kollision vom 28. Juni 2019 stammten, sei fraglich. Basierend auf dem Polizeirapport und der Fotodokumentation könne somit ein Sachschaden aufgrund der Kollision nicht nachgewiesen werden, so die Vorinstanz. Es sei daher nicht erstellt, dass es aufgrund der Kollision zu einem leichten Sachschaden gekommen sei (E. 1.2.1, Hervorhebungen durch mich).

Damit war klar, dass das Urteil des Kantonsgericht zu kassieren war:

Nach dem zum Sachverhalt Gesagten rügt der Beschwerdeführer zu Recht, dass er – mangels eines erwiesenen und durch ihn verursachten Sachschadens am Fahrzeug von B. aufgrund des Touchierens – weder zu einer Meldung an die Polizei noch an die vermeintliche Geschädigte verpflichtet war (…). Demgegenüber ist erstellt, dass der Beschwerdeführer nach dem Unfallereignis angehalten und sich, wenn auch nur kurz, vergewissert hat, ob ein Sach- oder Personenschaden eingetreten war. Gemäss Feststellungen der Vorinstanz ging er um sein Auto herum und schaute, nachdem er von der mutmasslichen Geschädigten, die den Vorgang beobachtet hatte, darauf angesprochen worden war, nach, ob es zu einem Schaden gekommen war. Der Beschwerdeführer ist damit, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, seiner Pflicht gemäss Art. 51 SVG hinreichend nachgekommen. Dies gilt umso mehr, als er gegenüber der mutmasslichen Geschädigten Angaben zu seinem Namen, Vornamen und Versicherung machte und ihr anbot, für einen allfälligen Schaden aufzukommen. Die Vorinstanz unterstellt ihm denn auch gar nicht, dass er sich habe vom Unfallort entfernen wollen. Der Tatbestand des pflichtwidrigen Verhaltens nach Unfall ist objektiv nicht erfüllt.  Da der Beschwerdeführer, mangels eines Sach- oder Personenschadens, somit nicht zu einer Meldung an die Polizei oder die vermeintliche Geschädigte verpflichtet war, ist auch der objektive Tatbestand der Vereitelung einer Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit nicht erfüllt (vgl. oben E. 1.1.2) [E. 1.2.2].

Das Bundesgericht kassiert und spricht reformatorisch gleich selbst frei.