Plädoyernotizen zu Recht nicht zu den Akten erkannt
Inzwischen ist es üblich und wird an vielen Gerichten begrüsst, dass die Verteidigung ihre Plädoyernotizen zu den Akten reicht. Das Obergericht das Kantons Bern will sie – entsprechend dem früheren Prozessrecht – nicht.
Das stellt gemäss Bundesgericht keine Gehörsverletzung dar (BGer 6B_993/2013 vom 17.07.2014):
Zum einen legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich, gestützt auf welche Bestimmung der StPO oder der BV die Vorinstanz verpflichtet gewesen wäre, die Plädoyernotizen seines Rechtsvertreters zu den Akten zu nehmen. Art. 346 StPO schreibt solches jedenfalls nicht vor. Daraus ergibt sich nur, dass die beschuldigte Person oder ihre Verteidigung nach Abschluss des Beweisverfahrens das Recht auf einen Parteivortrag hat. Dieses Recht nahm der Beschwerdeführer wahr. Sein Rechtsvertreter plädierte anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung und erhielt überdies Gelegenheit zur Replik. Dass die Vorinstanz die Anträge und Vorbringen des Rechtsvertreters nicht oder nur ungenügend protokollierte, macht der Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht geltend. Er bringt auch nicht vor, sie habe sich mit den entscheidwesentlichen Ausführungen des Rechtsvertreters in der schriftlichen Urteilsbegründung nicht oder nicht hinreichend befasst. Inwiefern seine Verteidigungsmöglichkeiten unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs eingeschränkt gewesen sein könnten, ist unter diesen Umständen nicht ersichtlich. Aus dem früheren bernischen Strafprozessrecht (vgl. Art. 305 aStrV) vermag er entgegen seiner Auffassung ebenfalls nichts für sich abzuleiten. Danach hatte der Parteivortrag mündlich zu erfolgen und war es daher grundsätzlich nicht gestattet, die schriftlichen Unterlagen der Plädoyers zu den Akten zu erkennen ( THOMAS MAURER, Das bernische Strafverfahren, 2. Aufl. 2003, S. 457) [E. 1.2].
Vielleicht hätte man die Rüge einfach anders begründen müssen und vielleicht sind Fälle denkbar, in denen die Notizen zu den Akten genommen werden müssen. Im Ergebnis ist die Praxis des Obergerichts jedenfalls dann zu begrüssen, wenn der Vortrag vollständig protokolliert oder aufgezeichnet wird. Persönlich habe ich ein ambivalentes Verhältnis zu den Plädoyernotizen. Sie werten die Hauptverhandlung weiter ab und verleiten die Anwälte dazu, vor Gericht einfach vorzulesen, was solange keinen Sinn macht, als die Adressaten selbst des Lesens mächtig sind.
Im Kanton Bern kann es meiner Erfahrung nach auch vorkommen, dass bei Urteilen ohne schriftliche Begründung (Art. 82 StPO) den Akten keinerlei Angaben zur Urteilsbegründung oder zum Plädoyer der Staatsanwaltschaft zu entnehmen sind … ungünstig insbesondere, wenn man überprüfen möchte, ob allenfalls ein Revisionsgrund gegeben sein könnte.