PMT und die Grundrechte
Das geplante sogenannte “Anti-Terror-Gesetz” (gemeint ist das noch der Volksabstimmung unterliegende “Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT)”) ist Thema eines lesenswerten Beitrags im Tagblatt mit Stellungnahmen von Prof. Monika Simmler und Fredy Fässler, Sicherheitsdirektor SG.
Während die Argumente von Simmler schlüssig erscheinen, glänzt der Sicherheitsdirektor mit folgender Aussage:
Es ist meines Erachtens selbstverständlich, dass Grundrechte beschränkt werden können und müssen, um sie selbst zu schützen.
Damit meint Fässler natürlich nicht die Beschränkung – beispielsweise – seiner eigenen Grundrechte, sondern die Grundrechte der anderen. Wer die anderen sind, ist dem PMT aber nur schemenhaft (terroristische Gefährderinnen und Gefährder) zu entnehmen. Deshalb beschränkt das PMT die Grundrechte aller, die keine Deutungshoheit über den Gefährderbegriff haben. Dazu gehöre – beispielsweise – ich.
Dagegen frage sich Simmler,
wieso wir dieses Gesetz überhaupt bräuchten. Schliesslich könne man Vorbereitungshandlungen für schwere Straftaten jetzt schon strafrechtlich verfolgen und präventiv eingreifen. Ihr komme kein terroristischer Akt in den Sinn, der nicht unter die Bezeichnung «schwere Straftat» fallen würde.
Damit ist doch wohl alles gesagt, oder nicht?
Das Parlament hat ja bereits den offenen Brief mit diversen Bedenken Dutzender Schweizer Staats- und Strafrechtsprofessoren und Professorinnen gekonnt ignoriert. Das Volk wird der Vorlage wohl mit gegen die 70% zujubeln.
Abgesehen davon, dass das Gesetz grundrechtswidrig ist, besteht auch keine Kompetenz des Bundes. Aber das interessiert in der Schweiz ohnehin niemand.
Wir haben ja die direkte Demokratie – wer braucht da schon ein Verfassungsgericht.
Beim PMT hat sich niemand mit Ruhm befleckt: Der besagte Brief wurde dem Parlament kurz vor der Schlussabstimmung über das PMT zugestellt. In dieser Phase die Gesetzgebung beeinflussen zu wollen, ist unglaublich naiv. So wurde etwa das (lesenswerte) Gutachten Donatsch von seinen Kolleginnen und Kollegen nicht zum Anlass genommen, sich in der Vernehmlassung Gehör zu verschaffen. Was war da los?
Vielen Dank Herr Kollege. Die Argumentation von Prof. Monika Simmler ist schlüssig und stark. Man merkt das die Dame die Freiheit tatsächlich verteidigt. Ich finde Schade das die Vernunft bei sämtlichen Europaratsmitglieders auf dem Rückzug ist.
Rein aus materiell-strafrechtlicher Sicht: Die strafbaren Vorbereitungshandlungen benötigen ja “planmässig konkrete technische oder organisatorische Vorkehrungen”. Wird diese Schwelle nicht erreicht, bestünde “Platz” für das PMT, da ein Versuch zu Art. 260bis StGB nicht möglich ist.
Es ist ja nicht so, dass Art. 260bis der einzige Vorbereitungsstraftatbestand in der schweizerischen Rechtsordnung wäre. Bei den Straftatbeständen nach IS/AlKaida-Gesetz sind Versuch und Teilnahme nach Praxis des Bundesstrafgericht anwendbar (SK.2017.43). Zudem befinden sich die neue Fassung von Art. 260ter und ein neuer Art. 260sexies StGB in der Pipeline, mit äusserst unbestimmten, weitreichenden Tatbestandsformulierungen (strafbar ist, wer eine terroristische Organisation “in ihrer Tätigkeit unterstützt”), wobei gemäss Gesetzesbotschaft und internationaler Vorgabe der Anwendungsbereich auf Versuch und Teilnahme an diesen ohnehin schon generell formulierten Tathandlungen auszuweiten wäre. Ich sehe materiell kein Anwendungsfeld des PMT, welches nicht ohnehin schon durch das derzeitige und kommende Strafrecht abgedeckt wäre.
Es geht ja in erster Linie auch nicht darum, dass das PMT-Gesetz einen Anwendungsbereich hat oder gar wirklich etwas gegen den Terrorismus bringt. Es geht darum, dass man sich als Politiker/in gross inszenieren und behaupten “man habe dann schon etwas gegen den Terror” gemacht. Und wenn es nichts bringt und weitere Anschläge passieren, die man – ohne zum völlig autokratischen Totalüberwachungsstaat zu werden – schlicht nicht verhindern kann, dann wird einfach wieder etwas am Gesetz herumgepfuscht, damit man “was gemacht hat” usw.
Aber “hard cases make bad law” ist ja heute keine Maxime mehr. Sieht man ja auch im Fall “Carlos”. Unser Strafvollzug- und Resozialisierungssystem funktioniert ganz ordentlich (20% Rückfälle im Vergleich zur USA, die auf volle Repression setzten und damit 70% Rückfallquote haben), aber wenn dann Mal ein Einzelfall nicht funktioniert, grosses Theater, am besten alle Straftäter für immer Wegsperren oder auf den elektrischen Stuhl…. (etwas übertrieben formuliert).
Kollege Fässler spricht für die Regierung, persönlich ist er mit Sicherheit der Auffassung seiner Parteigenossin…
@Anonymous: Dann hat er sich aber mächtig ins Zeug gelegt für eine Meinung, die er nicht teilt. Aber egal. Es gilt das gesprochene Wort.