Polizei c. Staatsanwaltschaft
In Strafverfahren ist das Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei theoretisch ziemlich klar (Art. 15 StPO), während in der Praxis immer wieder Schnittstellenkonflikte auftreten (welche die Polizei meist zu ihren Gunsten entscheidet). In einem neuen Urteil hatte das Bundesgericht zu prüfen, ob ein Polizeikommandant
- verpflichtet werden kann, der Staatsanwaltschaft die vollständigen Personalien sowie die konkrete Einsatzfunktion der an einem bestimmten Einsatz beteiligten Polizeibeamten schriftlich bekannt zu geben;
- ob eine an einem Strafuntersuchungsverfahren beteiligte Person unter Umständen auch gegenüber der Staatsanwaltschaft Anonymität beanspruchen kann und ob er Polizeikommandant gegebenenfalls deshalb die Herausgabe der verlangten Informationen verweigern darf.
Im zu beurteilenden Fall ging es um einen Einsatz der polizeilichen Spezialeinheit ARGUS mit Tasereinsatz und Schussabgabe. Der Polizeikommandant wollte seine Leute schützen, gemäss Bundesgericht aber zu Unrecht (BGE 1B_205/2012 vom 18.06.2012, Publikation in der AS vorgesehen):
Als Leiter des Polizeikorps ist der Beschwerdeführer somit grundsätzlich von Bundesrechts wegen verpflichtet, der Staatsanwaltschaft die verlangten, ihm bekannten Informationen heraus zu geben. Daran ändert der Hinweis auf die ihm nach kantonalem Personalrecht obliegenden Fürsorgepflichten nichts (E. 2.4)
Jedenfalls muss aber die Staatsanwaltschaft als bis zur Einstellung des Verfahrens oder zur Anklageerhebung verfahrensleitende und gegenüber der Polizei weisungsbefugte Behörde die Identität der beschuldigten Person sowie der weiteren Verfahrensbeteiligten persönlich überprüfen können (E. 3.2.1).
Damit steht fest, dass die am Einsatz vom 30. August 2011 beteiligten Polizisten im Strafuntersuchungsverfahren gegenüber der Staatsanwaltschaft keine Anonymität beanspruchen können und der Beschwerdeführer auch gestützt auf Art. 149 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. a sowie Art. 150 Abs. 1 StPO die schriftliche Bekanntgabe der verlangten Informationen nicht verweigern darf (E. 3.3).
Also das ist dann derselbe (auf ende Jahr zurück getretene) Polizei-Kommandant der Probleme mit den Verkehrsregeln hat.
Ich fragte mich sowieso: Was wäre, wenn er im Aargau zu schnell unterwegs gewesen wäre und seine eigenen Mitarbeiter ihn erwischt hätten?
Hätten die ihn auch angezeigt?
Und zum aktuellen Fall: Nach einer Schussabgabe sollten die Namen schon bekannt werden dürfen, zumal die Staatsanwaltschaft ja die Namen auch ggü dem Anzeigeerstatter anonymisieren könnte.
Solche Machenschaften machen mir schon Angst.
Noch ne Frage an Konrad Jecker, auch wenns eher ne politische Frage ist:
Was wäre, wenn der zuständige Regierungsrat (Sicherheitsdirektor) die Anweisung erteilt, die Daten seien an die StA heraus zugeben, ist dieser RR ggü dem Pol-Kdt weisungsbefugt?
Oder was, wenn jetzt nach dem Urteil der RR anordnet, dass die Daten dennoch nicht heraus gegeben werden? Was soll der Kdt dann tun?
Und welche MIttel hätten StA und BGer, um die Heraus gabe durch zu setzen?
Viele spannende Fragen, die ich hier mangels Kenntnis des kantonalen Rechts nicht angemessen beantworten kann. Aber dass der RR gegenüber der Polizei weisungsbefugt ist, erscheint mir als klar. Wenn der RR aber jetzt anordnen würde, die Daten seien nicht herauszugeben, würde er sich über das Bundesrecht und das Bundesgericht hinwegsetzen. Der Kdt könnte die Weisung des RR wiederum anfechten, könnte aber m.E. auch einfach dagegen verstossen und sich nach dem nun rechtskräftigen Entscheid der Justiz richten.
Wie die Staatsanwaltschaft den Entscheid durchsetzen würde, wenn sich der Kdt trotz allem weigern würde, weiss ich ehrlich gesagt nicht.