Polizeigesetz à la Solothurn

Im Kanton Solothurn läuft noch bis Ende Jahr die Vernehmlassung zu einer Teilrevision des Polizeigesetzes (KapoG). Es geht gemäss Vernehmlassungsentwurf primär darum, gesetzliche Grundlagen für “gewisse polizeiliche Massnahmen auch ausserhalb und/oder vor einem Strafverfahren” zu schaffen. Mit gewissen polizeilichen Massnahmen meint die Vorlage Lappalien wie etwa die im strafprozessualen Sinn verdachtsfreie geheime Überwachung (Observation unter Einsatz technischer Überwachungsgeräte). Andere, bereits bekannte verdachtsunabhängige Zwangsmassnahmen sollen erleichtert werden. Mein persönliches Highlight ist der Vorschlag, solche Durchsuchungen neu auch dann zuzulassen, wenn gar keine erhebliche Gefahr für die Polizeigüter besteht:

Art. 34bis KapoG (geändert):

Die Kantonspolizei kann Personen und Räume durchsuchen, wenn die Umstände ein sofortiges Handeln nötig machen, um eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für Leib und Leben oder die Freiheit einer Person abzuwehren.

Noch besser ist aber die Begründung, die arbeitsrechtlich motiviert wird. Aus den Entwurf:

Paragraf 209 des Gesamtarbeitsvertrages vom 25. Oktober 2004 (GAV; BGS 126.3) verpflichtet den Kanton als Arbeitgeber, die Persönlichkeit und Gesundheit der Korpsangehörigen zu achten
und zu schützen und u.a. auf ihre physische und psychische Integrität gebührend Rücksicht zu nehmen. Zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität hat der Arbeitgeber diejenigen Massnahmen zu treffen, die nach den Erfahrungen notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Die aktuelle Ausformulierung von Paragraf 34bis Absatz 1 steht zu diesen Verpflichtungen im Widerspruch und verunmöglicht eine wirksame Gefahrenabwehr.

Sowohl der Schutz der involvierten Personen als auch der Eigenschutz der betroffenen Korpsangehörigen gebieten die Vornahme von Durchsuchungen von Personen und Räumen nicht nur in Fällen, in denen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben oder die Freiheit einer Person besteht, wie dies die seit dem 01. Januar 2011 geltende Bestimmung vorschreibt. Vielmehr hat die Polizei ihrem gesetzlichen Auftrag der  Gefahrenabwehr entsprechend Durchsuchungen vorzunehmen, wenn sie im Zeitpunkt der Entscheidung von einer gegenwärtigen, nicht aber unbedingt erheblichen Gefahr für die genannten Polizeigüter ausgeht. Die Prüfung der Verhältnismässigkeit der Durchsuchung obliegt den handelnden Korpsangehörigen, wobei sie unter Umständen innert kürzester Zeit eine Gefahrenanalyse vorzunehmen haben. Im Zweifelsfall ist eine Durchsuchung vorzunehmen. Dies rechtfertigt sich umso mehr, als es sich dabei nicht um einen schweren Eingriff in die Rechte der betroffenen Person handelt und der Eingriff überdies nur vorübergehender Natur ist. Ausserdem können sich Betroffene sowohl über die Durchsuchung als solche als auch über die konkrete Vorgehensweise beschweren.

Ich denke, dem Arbeitnehmerschutz wäre wesentlich besser gedient, wenn man ihnen nicht alle paar Jahre neue Aufgaben, Kompetenzen (und damit auch Verantwortlichkeiten) aufbürden würde, für die sie gar nicht richtig ausgebildet werden. Aber ich will nicht ungerecht sein und anmerken, dass ähnliche Entwicklungen in anderen Kantonen bereits weiter gediehen sind als bei uns. Es hat auch da kaum jemanden interessiert.