Polizeivertrag Deutschland-Schweiz
Vor einer Woche ist der Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit (Schweizerisch-deutscher Polizeivertrag) in Kraft getreten. Im Grundsatz geht es darum, das Territorialitätsprinzip einzuschränken. Geregelt wird auch, was es gar nicht geben dürfte, zum Beispiel die verdeckte Ermittlung zur Verhinderung von Straftaten (Art. 18) oder die kontrollierte Einfuhr von Drogen oder Sprengstoff (Art. 19). Vorgesehen ist auch der Vollzug hoheitlicher Amtshandlungen durch ausländische Polizisten (Art. 23). Diese haben dann auch den einmaligen Vorteil, dass sie im Gegensatz zu ihren schweizerischen Kollegen die Kantonsgrenzen nicht beachten müssen. Praktisch.
Der Vertrag müsste näher analysiert werden. Was ohne tiefere Abklärung auffällt ist die Aufweichung der Grenzen zwischen präventiven und repressiven Zwangsmassnahmen und die damit verbundene Ausschaltung der Justiz. Dabei wurde natürlich auch an den Datenschutz gedacht (Art. 37 ff.).
In Schaffhausen gibt es eine deutsche Enklave (Büsingen). Soweit ich weiss (kenne weder die genaue Situation dort noch die gesetzlichen Grundlagen) hat die Büsinger Bevölkerung Zugriff auf die deutsche als auch die Schaffhauser Polizei (zudem kann man dort auch aussuchen ob man Schweizer Telefon, Internet etc. Provider möchte).
Gemäss Schweizerisch-deutscher Polizeivertrag (0.360.136.1) gilt Büsingen (liegt in Baden-Württemberg) und Schaffhausen als Grenzgebiet (Art. 5), somit sollte dieser Vertrag für beide Polizeien gelten.
Aber in Art. 62 wird festgehalten, dass der “Büsingen-Vertrag” weiterhin besteht und der Schweizerisch-deutscher Polizeivertrag diesen nicht berührt…
Widerspricht sich das nicht irgendwo/irgendwie?
Vor allem ist die Situation für die Schaffhauser Polizei rechtlich verschieden, wenn sie mit der Büsinger Polizei oder sonstigen im Grenzgebiet liegenden deutschen Polizeien zusammenarbeitet. Das gleiche gilt auch für Büsingen, denn Büsingen grenzt an Zürich (ja Zürich grenzt an Deutschland und gilt gemäss Art. 5 auch als Grenzgebiet) und somit hätte auch Büsingen mit anderen Schweizerischen Polizeien zu tun und hätte auch verschiedene rechtliche Grundlagen betreffend Zusammenarbeit.
Wäre es nicht rechtlich einfacher bzw. sinnvoller alles zu streichen, was die Zusammenarbeit der Polizeien im Büsinger-Vertrag angeht?
Ja in der Schweiz muss das ja auch nur extrem begrenzt beachtet werden, Hausdurchsuchungen angeordnet in fremden Kantonen sind nichz unüblich, den betroffenen Kanton zu informieren reicht ja, der muss nicht mal zustimmen. Insofern muss hier auch nicht sehr viel beachtet werden.
Es ist insgesamt erschreckend wieviel Gesetze die unsere Grundrechte einschränken und gegen Rechstaatliche Grundsätze sind in den letzten 20 Jahren geschaffen wurden. Wir bewegen uns vollgas in Richtung 1984
„Vorgesehen ist auch der Vollzug hoheitlicher Amtshandlungen durch ausländische Polizisten (Art. 23). Diese haben dann auch den einmaligen Vorteil, dass sie im Gegensatz zu ihren schweizerischen Kollegen die Kantonsgrenzen nicht beachten müssen. Praktisch.“
Man müsste halt einfach den ganzen Artikel lesen – und natürlich verstehen. Aber wenn man das nicht will, kommt man zu solch wilden Spekulationen.
@pk: Was habe ich denn überlesen oder nicht verstanden?
@kj Wahrscheinlich Art. 4 Abs. 2 ” Eine Übermittlung und Beantwortung von Ersuchen unmittelbar zwischen den zuständigen Polizeibehörden der Vertragsstaaten kann erfolgen, soweit: 1) sich der grenzüberschreitende Dienstverkehr auf Straftaten bezieht, bei denen der Schwerpunkt der Tat und ihrer Verfolgung in den Grenzgebieten nach Artikel 5 liegt; […]”
… In Kombination mit …
Art. 5 “Als Grenzgebiete gelten: […] – in der Schweizerischen Eidgenossenschaft: die Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Aargau, Schaffhausen, Zürich, Thurgau und St. Gallen.”
Als Grenzgebiete gelten die genannten Kantone.
Einzige Ausnahme, soweit ich das sehe, bildet Art. 16 betreffend der Nacheile:
“””
Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden eines Vertragsstaates, die in ihrem Land eine Person verfolgen, […], sind befugt, die Verfolgung auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates ohne dessen vorherige Zustimmung fortzusetzen, wenn die zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates wegen der besonderen Dringlichkeit der Angelegenheit nicht zuvor unterrichtet werden konnten oder nicht rechtzeitig zur Stelle sind, um die Verfolgung zu übernehmen. Die nacheilenden Beamtinnen und Beamten nehmen unverzüglich, im Regelfall bereits vor dem Grenzübertritt, Kontakt mit der zuständigen Behörde des Vertragsstaates auf. Die Verfolgung ist einzustellen, sobald der Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet die Verfolgung stattfinden soll, dies verlangt. Auf Ersuchen der nacheilenden Beamtinnen und Beamten ergreifen die örtlich zuständigen Behörden die betroffene Person, um ihre Identität festzustellen oder die Festnahme vorzunehmen.
“””
sind jedoch an Bedingungen geknüpft.
Soweit zur Theorie, aber ich denke, jeder kann sich vorstellen, wie das in der Praxis gehandhabt wird z.B. stelle ich mir vor, was ein Gericht schreiben würde: “… konnten die nacheilenden Beamten doch aufgrund der fehlenden Ortskenntnisse sowie fehlender Beschriftung der Kantonskennzeichnung nicht wissen, wo die Kantonsgrenze resp. das Grenzgebiet aufhört, weshalb sie nach (nur) einer zweistündigen Verfolgungsfahrt den Beschuldigten schlussendlich in Tessin die Handschellen anlegten und unverzüglich den örtlich zuständigen Behörden [nach einer zweistündigen Heimfahrt] aushändigten”