Prävention oder Repression? who cares!
Einmal mehr lässt das Bundesgericht Beweismittel zu, die ausserhalb eines Strafverfahren im Rahmen eines angeblich rein präventiven Polizeieinsatzes erhoben wurden. Als Rechtsgrundlage für eine „präventive verdeckte Fahndung“ liess es eine geheime Kommunikationsüberwachung gestützt auf ein kantonales Polizeigesetz genügen (BGE 6B_490/2024 vom 24.01.2025, Publikation in der AS vorgesehen, Medienmitteilung).
Das Bundesgericht verweist auf seine Rechtsprechung, wonach die Voraussetzungen der verdeckten Fahndung gemäss Art. 298b StPO nicht restriktiv auszulegen seien (klar, es geht ja bloss um Grundrechtseingriffe), um dann als Rechtsgrundlage doch das Polizeigesetz FR und den Verhältnismässigkeitsgrundsatz (immer gut bei fehlender strafprozessualer Grundlage) heranzuziehen.
Ich verstehe nicht, weshalb die verdeckte Fahndung in diesem Beitrag mit einer Kommunikationsüberwachung gleichgesetzt wird. Soweit ich den Entscheid verstehe, geht es einzig um die verdeckte Fahndung, das Mass der zulässigen Einwirkung wie auch die Verwertbarkeit der erhobenen Beweise aus der präventiven verdeckten Fahndung gemäss Art. 33b PolG FR.
# TLDR;
Das Urteil beschreibt, dass ein verdeckter Ermittler hauptsächlich per E-Mail mit der Zielperson kommunizierte und deren Nachrichten las. Rechtlich war dies eine „verdeckte Fahndung“ nach kantonalem Polizeirecht, keine technische „Kommunikationsüberwachung“ nach StPO/BÜPF. Die überwachte Kommunikation bestand primär aus den E-Mails an den Agenten.
Obwohl die Massnahme juristisch als „verdeckte Fahndung“ einzustufen ist, bei der ein Agent interagierte, verwendet der Kommentator den Begriff „Kommunikationsüberwachung“ vermutlich bewusst in einem weiteren Sinne oder als rhetorisches Mittel, um seine Kritik am Vorgehen und an der bundesgerichtlichen Zulassung dieser Beweiserhebung auf Basis kantonalen Polizeirechts zu unterstreichen.
# Lange Erklärung
## Mögliche Gründe:
– Breitere Definition/Umgangssprachliche Nutzung: Im weiteren Sinne ist das Mitlesen oder Mithören von Kommunikation durch staatliche Organe, von der die Zielperson nichts weiss, eine Form der Überwachung von Kommunikation. Der Kommentator mag den Begriff hier weniger im technischen Sinne der Strafprozessordnung (wie z.B. eine Telefonüberwachung nach Art. 269 ff. StPO i.V.m. dem BÜPF) verwenden, sondern allgemeiner für das heimliche Erlangen von Kommunikationsinhalten.
– Fokus auf den Eingriff: Der Kommentator möchte möglicherweise die Schwere des Grundrechtseingriffs betonen. Obwohl es sich methodisch um eine verdeckte Fahndung handelt, bei der ein Mensch interagiert, ist das Ergebnis der Zugriff auf private Kommunikationsinhalte – ähnlich wie bei einer technischen Überwachung. Der Begriff „Kommunikationsüberwachung“ unterstreicht diesen Aspekt des Eindringens in die Privatsphäre der Kommunikation vielleicht stärker.
– Rhetorische Zuspitzung/Kritik: Der Kommentator ist offensichtlich kritisch gegenüber der Praxis des Bundesgerichts. Indem er die Massnahme als „geheime Kommunikationsüberwachung“ bezeichnet, stellt er möglicherweise bewusst eine Parallele zu den strenger regulierten technischen Überwachungsmassnahmen her, um zu implizieren, dass hier unter dem Deckmantel des Polizeirechts ähnlich einschneidende Massnahmen mit geringeren Hürden zugelassen werden.
– Abgrenzungsproblematik: In der Praxis können die Grenzen verschwimmen. Wenn der verdeckte Ermittler z.B. über eine Plattform kommuniziert, deren Betreiber zur Kooperation verpflichtet wird, oder wenn Nachrichten auf Servern zwischengespeichert und eingesehen werden, nähert man sich technisch der Kommunikationsüberwachung an, auch wenn die Grundlage eine verdeckte Fahndung ist. Der Kommentator könnte dies verallgemeinernd meinen.
## Meine Meinung
Du hast Recht, dass der Kern der Massnahme im Fall 6B_490/2024, basierend auf dem Auszug, eine verdeckte Fahndung war, bei der ein Agent interagierte und die an ihn gerichtete Kommunikation auswertete. Rechtlich ist dies von einer technischen „Kommunikationsüberwachung“ (wie Randdatenerhebung oder Inhaltsüberwachung nach BÜPF/StPO) zu unterscheiden.
Der Kommentator verwendet den Begriff „Kommunikationsüberwachung“ aber wahrscheinlich bewusst in einem weiteren Sinne oder als rhetorisches Mittel, um die Tatsache zu kritisieren, dass auf Basis kantonalen Polizeirechts heimlich auf private Kommunikationsinhalte zugegriffen wurde, was er als problematische Umgehung der strengeren StPO-Regeln ansieht. Ihre präzise Unterscheidung ist juristisch korrekt, der Kommentar wählt jedoch eine zugespitztere Formulierung für seine Kritik.
Der Begriff „Kommunikationsüberwachung“ im technischen Sinn (wie eine Telefonüberwachung nach StPO/BÜPF) wird im vorliegenden Urteilsauszug des Bundesgerichts (6B_490/2024) selbst nicht explizit verwendet, um die Tätigkeit des verdeckten Ermittlers („C.________“) zu beschreiben.
Es beschreibt aber sehr wohl, dass die Kommunikation zwischen A.________ und dem als „C.________“ agierenden Polizisten (hauptsächlich E-Mails) von diesem entgegengenommen, gelesen und dokumentiert wurde. Diese Kenntnisnahme der Kommunikationsinhalte durch den verdeckten Ermittler ist das, was faktisch stattfand und was der kritische Kommentator – wenn auch juristisch vielleicht unpräzise oder verallgemeinernd – als „geheime Kommunikationsüberwachung“ bezeichnet haben dürfte.
Die überwachte Kommunikation waren also primär die E-Mails, die A.________ an die vom verdeckten Ermittler genutzte E-Mail-Adresse schickte.
Mit der Verhältnissmässigkeit ist es sonst oft nicht so gut bestellt wenn man Leute in Haft nimmt und untersuchungen für 100tsd veranstaltet und anschliessend freispricht