Präventive Zwangsmassnahmen

Die I. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts lässt es in einem zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheid weiterhin zu, dass DNA-Profile auch aus rein präventivpolizeilichen Gründen erstellt werden (BGE 1B_17/2019 vom 24.04.2019).

Logischerweise setzt das Bundesgericht damit auch keinen hinreichenden Tatverdacht (im Hinblick auf eine künftige Tat) i.S.v. Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO voraus. Das entspricht auch der wohl herrschenden Lehre, die das Bundesgericht zitiert.

Möglichen Zweifeln an seiner – gemäss einem wichtigen Teil der Lehre unhaltbaren – Auslegung wirkt das Bundesgericht offenbar mit der Erwägung entgegen, dass die Zwangsmassnahme gemäss seiner Rechtsprechung ja lediglich einen leichten Grundrechtseingriff darstelle. Im Weiteren weist das Bundesgericht hier ausgerechnet wieder auf Art. 197 StPO hin :


Erkennungsdienstliche Massnahmen und die Aufbewahrung der Daten können das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 8 EMRK; BGE 136 I 87 E. 5.1 S. 101; 128 II 259 E. 3.2 S. 268; je mit Hinweisen) berühren. Dabei ist von einem leichten Grundrechtseingriff auszugehen (BGE 144 IV 127 E. 2.1 S. 133; 134 III 241 E. 5.4.3 S. 247; 128 II 259 E. 3.3 S. 269 f.). Einschränkungen von Grundrechten bedürfen nicht nur einer gesetzlichen Grundlage, sondern müssen auch durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 1-3 BV). Art. 255 StPO erlaubt nicht die routinemässige Entnahme von DNA-Proben und deren Analyse. Dies konkretisiert Art. 197 Abs. 1 StPO. Danach können Zwangsmassnahmen nur ergriffen werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorliegt (lit. b), die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können (lit. c) und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt (lit. d). Nach der Rechtsprechung ist die Erstellung eines DNA-Profils, das nicht der Aufklärung der Straftaten eines laufenden Strafverfahrens dient, nur dann verhältnismässig, wenn erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die beschuldigte Person in andere – auch künftige – Delikte verwickelt sein könnte. Dabei muss es sich allerdings um Delikte von einer gewissen Schwere handeln (vgl. BGE 141 IV 87 E. 1.3 und 1.4 S. 90 ff.; Urteile 1B_13/2019 und 1B_14/2019 vom 12. März 2019 jeweils E. 2.2; 1B_244/2017 vom 7. August 2017 E. 2.2 und 1B_274/2017 vom 6. März 2017 E. 2.1; je mit Hinweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob die beschuldigte Person vorbestraft ist (vgl. Urteil 1B_381/2015 vom 23. Februar 2016 E. 3.5); trifft dies nicht zu, schliesst das die Erstellung eines DNA-Profils jedoch nicht aus, sondern es fliesst als eines von vielen Kriterien in die Gesamtabwägung ein und ist entsprechend zu gewichten (Urteile 1B_13/2019 und 1B_14/2019 vom 12. März 2019 jeweils E. 2.2).  
Dass es bezüglich allfälliger künftiger Straftaten keinen hinreichenden Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 StPO geben kann, steht der Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf derartige Delikte demnach nicht entgegen. Ein solcher Verdacht muss zwar hinsichtlich der Tat bestehen, die Anlass zur Probenahme oder Profilerstellung gibt (vgl. SCHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar StPO, N. 2 zu Art. 255 StPO). In Bezug auf allfällige künftige Straftaten genügen aber Anhaltspunkte im genannten Sinn. Soweit der Beschwerdeführer Gegenteiliges vorbringt und die strittige Profilerstellung auch aus diesem Grund für bundesrechtswidrig hält, erweist sich dies daher als unbegründet. Daran ändert sein in diesem Zusammenhang wiederholtes Argument, es fehle an einer gesetzlichen Grundlage für die Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf allfällige künftige Straftaten, nichts, ist dies doch, wie ausgeführt, unzutreffend. Näher zu prüfen ist nachfolgend hingegen sein Vorbringen, die strittige Profilerstellung sei unverhältnismässig (E. 3.4). 

Auch die Verhältnismässigkeit bejahte das Bundesgericht, obwohl der Beschwerdeführer für die Anlasstat zufolge zurückgezogenen Strafantrags gar nicht verurteilt werden wird und bloss wegen einer nicht einschlägigen SVG-Widerhandlung vorbestraft war. Ergebnis ist dann wohl, dass praktisch jeder Tatverdacht die Erstellung eines DNA-Profils erlaubt. Die erste öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts erweckt einmal mehr den Eindruck, sie spiele die Rolle der obersten Polizeibehörde des Landes.