Präzisierung der Anklage im Berufungsverfahren?

In einem neuen Urteil musste sich das Bundesgericht mit dem Institut der Eventualanklage befassen (BGer 6B_1180/2015 vom 13.05.2016). Der Beschwerdeführer rügte die Verletzung des Anklageprinzip in Bezug auf die eventualiter erhobene Anklage der versuchten schweren Körperverletzung.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist das Anklageprinzip in seiner Informationsfunktion indes nicht verletzt. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, geht die Eventualanklage der versuchten schweren Körperverletzung vom selben Tatablauf aus wie die Hauptanklage, so dass der äussere Lebensvorgang der Körperverletzung unverändert bleibt. Eine Ergänzung erfolgt lediglich in Bezug auf den subjektiven Tatbestand. Dieser ist, wie die Vorinstanz mit Recht annimmt, genügend klar erkennbar. Auf die inneren Tatsachen wird in der Eventualanklage aufgrund der konkreten äusseren Umstände geschlossen (…). Diese ergeben sich aus dem in der Hauptanklage einlässlich geschilderten Tatablauf. Ob der Tatbestand tatsächlich erfüllt ist, bestimmt sich nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens.

Aus der Anklageschrift wird auch hinreichend deutlich, unter welche Tatvarianten die Anklageschrift das Verhalten des Beschwerdeführers subsumiert. Aus der Formulierung, dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass die Fusstritte gegen den Kopf und das Gesicht der Privatklägerin Verletzungen mit lebensgefährlichen Folgen oder bleibenden Schäden hätten bewirken können, ergibt sich klar, dass die Tatvarianten der lebensgefährlichen Körperverletzung gemäss Art. 122 Abs. 1 StGB bzw. der anderen schweren Körperverletzung im Sinne der Generalklausel nach Art. 122 Abs. 3 StGB angesprochen sind. Die konkrete Beschreibung des einer Lebensgefahr bzw. einer anderen schweren Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zugrunde liegenden möglichen medizinischen Geschehens ist zur Wahrung der Verteidigungsrechte nicht notwendig. Die Vorinstanz verletzt daher kein Bundesrecht, wenn sie zum Schluss gelangt, für den Beschwerdeführer sei es völlig klar gewesen, was ihm in objektiver und subjektiver Hinsicht vorgeworfen worden ist, und er habe sich angemessen verteidigen können. Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft in der Berufungsverhandlung auf Einladung der Vorinstanz ihre Anklage ergänzt (…), so dass allfällige Unklarheiten spätestens in diesem Zeitpunkt beseitigt waren.
Unbegründet ist die Beschwerde auch, soweit der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe ihrem Urteil Sachverhaltselemente zugrunde gelegt, welche in der Anklageschrift nicht umschrieben seien. Es trifft zu, dass die Anklageschrift nicht explizit ausführt, dass die erfolglose Abwehr der Privatklägerin die Aggressionen und die Wut des Beschwerdeführers noch gesteigert haben und dass die Fusstritte und Kniestösse mit einer gewissen Wucht erfolgt sind. Doch lässt sich dies, wie auch der Beschwerdeführer anerkennt (…), aus der Anklageschrift jedenfalls herauslesen. Wesentlich ist jedoch, dass diese Erwägungen der Vorinstanz Ergebnis ihrer Beweiswürdigung sind, welche nicht in der Anklageschrift abzuhandeln ist, sondern dem Gericht vorbehalten bleibt. Dies gilt auch, soweit die Vorinstanz zum Schluss gelangt, der Beschwerdeführer sei bei dem Übergriff ausgerastet und habe die Kontrolle vollständig verloren. Eine Verletzung des Anklagegrundsatzes ist daher auch in seiner Umgrenzungsfunktion nicht ersichtlich (E.1.4.2, Hervorhebungen durch mich).
Eine Ergänzung der Anklage im Berufungsverfahren war ja wohl nur notwendig, weil ein Mangel vorlag. Abgesehen davon verliert der Beschwerdeführer eine Instanz (und eine unbefangene Berufungsinstanz). Für eine genauere Analsyse müsste man aber wohl mehr Informationen haben.