Praxisänderung zur Praxisänderung
Das Bundesgericht kassiert drei Geldwäschereischuldsprüche, indem es im Gegensatz zur Vorinstanz den Eintritt der Verjährung der entsprechenden Tathandlungen annimmt. Es tut dies, indem es in Abweichung von seiner bisherigen Praxis die lex mitior-Regel auf die Rechtsprechung ausdehnt (BGer 6B_1152/2013, 6B_1179/2013 und 6B_1187/2013, alle vom 28.08.2014). Massgebend ist damit nicht mehr die Frage nach dem milderen Gesetz, sondern die Frage nach der milderen Gerichtspraxis:
Auch nach den neuen, seit dem 1. Oktober 2002 geltenden Verjährungsbestimmungen waren im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids alle Geldwäschereihandlungen im Sinne von Art. 305bis Ziff. 1 StGB verjährt. Zwar waren im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils nur in Bezug auf die Geldwäschereihandlungen, welche der Beschwerdeführer vor dem 11. Mai 2003 begangen haben soll, mehr als 7 Jahre verstrichen. Die Verjährung lief indessen in Bezug auf die Geldwäschereihandlungen, welche der Beschwerdeführer nach dem 11. Mai 2003 begangen haben soll, ungeachtet des erstinstanzlichen Urteils vom 11. Mai 2010 weiter, da der Beschwerdeführer durch dieses Urteil vom Vorwurf der Geldwäscherei freigesprochen wurde. Die Rechtsprechung, wonach die Verjährung nur mit einem verurteilenden erstinstanzlichen Erkenntnis zu laufen aufhörte, wurde erst durch Bundesgerichtsentscheid vom 11. Dezember 2012 (BGE 139 IV 62) in dem Sinne geändert, dass die Verjährung auch bei einem erstinstanzlichen Freispruch nicht mehr eintreten kann. Im Zeitpunkt dieser Änderung der Rechtsprechung durch BGE 139 IV 62 E. 1.5 waren jedoch bereits mehr als 7 Jahre seit den letzten inkriminierten Geldwäschereihandlungen verstrichen und diese daher gemäss aArt. 70 Abs. 3 StGB beziehungsweise Art. 97 Abs. 3 StGB und der diesbezüglichen bundesgerichtlichen Rechtsprechung (siehe z.B. BGE 134 IV 328 E. 2.1; 135 IV 196 E. 2.1; Urteil 6B_424/2011 vom 15. März 2012 E. 2) verjährt (BGer 6B_1152/2013, E. 11.4.5).
Die drei Urteile ergingen in Dreierbesetzung, was eigentlich gegen eine Praxisänderung sprechen müsste. Ich nehme daher jetzt einfach an, dass ich etwas übersehen oder nicht richtig verstanden habe. Ich weiss aber immerhin, dass ich vor Bundesgericht schon abgeblitzt bin, als ich die nämliche Auslegung von Art. 2 Abs. 2 StGB gefordert hatte.
Die Urteile sind nicht zur Veröffentlichung in der AS bestimmt. Auch dies spricht gegen eine “bewusste” Praxisänderung. Ebenso, dass sich das Bundesgericht mit dieser Frage gar nicht auseinandergesetzt hat. Also ein Lappsus? Jedenfalls absolute Fehlurteile!
Nachdem sich das Bundesgericht immer mehr als Gesetzgeber aufführt (Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft in Haftsachen; kt. Beschwerde in grossen [?!] Entsiegelungsverfahren) will es wohl seinen Urteilen auch auf diesem Weg Gesetzescharakter zukommen lassen.
Noch weit unverständlicher ist aber, dass im Fall Condrau (1C 388/2014) (am gleichen Tag publiziert) zum wiederholten Mal folgender Satz den Filter der Bundesrichter passierte: „Die Anwendung von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt ohnehin ausser Betracht, da das Ermächtigungsverfahren weder besonders aufwendig ist noch ein Beweisverfahren erfordert (s. etwa Urteile 1C_394/2013 vom 28. Juni 2013 E. 1 und 1C_129/2013 vom 28. Mai 2013 E. 1).“
Der Ermächtigungsentscheid (ein Endentscheid) ist nach Lesung des Bundesgerichtes (auch und vor allem) ein Zwischenentscheid im Strafprozess. Es kommt deshalb darauf an, ob die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG für das Strafverfahren (nicht das Ermächtigungsverfahren!) erfüllt sind. Im Satz zuvor (lit. a der Bestimmung betreffend) hat es das Bundesgericht auch so gehalten („Durchführung eines Strafverfahrens“).