Praxisänderung: Kein Warnungsentzug für Auslandstaten
Das Bundesgericht hat seine Rechtsprechung zum Warnungsentzug des Führerausweises bei Auslandtaten geändert. Nach dem neuen, zur BGE-Publikation vorgesehenen Entscheid (6A.106/2006 vom 14.06.2007), gilt neu folgendes:
Die schweizerische Rechtsordnung enthält demnach keine ausreichende Grundlage für die Anordnung von Warnungsentzügen wegen Auslandtaten.
Demgegenüber können Sicherungsentzüge sowie Führerausweisentzüge im Sinne von Art. 16 Abs. 1 SVG auch aufgrund von Vorkommnissen im Ausland angeordnet werden; hiefür enthält die schweizerische Rechtsordnung eine ausreichende Grundlage (E. 10).
Damit wirft das Bundesgericht seine in BGE 102 Ib 59 begründete Rechtsprechung mangels ausreichender gesetzlicher Grundlage über Bord:
An der Rechtsprechung, wonach sich die Zulässigkeit des Warnungsentzugs bei einer Auslandtat aus Art. 16 und Art. 22 SVG ergibt, kann daher nicht mehr festgehalten werden. Die genannten Bestimmungen enthalten keine ausreichende Grundlage für die Anordnung von Warnungsentzügen bei Auslandtaten […].
Das formelle Gesetz (SVG) enthält somit keine hinreichend deutlichen Anhaltspunkte für die Qualifizierung des Warnungsentzugs als eine um der Verkehrssicherheit willen angeordnete Massnahme mit präventivem und erzieherischem Charakter. Daher kann abweichend von der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr unter Berufung auf eine derartige Charakterisierung ein Warnungsentzug wegen einer Auslandtat mit der Begründung angeordnet werden, dass es keine Rolle spiele, ob die Tat in der Schweiz oder im Ausland begangen werde (E. 6.4).
Auch dem Verordnungsrecht kann eine hinreichende Grundlage nicht entnommen werden:
Art. 34 VZV hat somit keine Grundlage im SVG. Er verstösst deshalb gegen Art. 164 sowie gegen Art. 182 Abs. 1 BV und ist daher verfassungswidrig. Art. 34 VZV bildet demnach (wie vormals Art. 30 Abs. 4 aVZV) keine ausreichende Grundlage für die Anordnung von Warnungsentzügen bei Auslandtaten (E. 7.2.3).
Nichts anderes ergibt sich aus dem Völkerrecht:
Das Europäische Übereinkommen über die internationalen Wirkungen des Entzuges des Führerausweises für Motorfahrzeuge bildet somit keine hinreichende Grundlage für die Anordnung von Warnungsentzügen wegen Auslandtaten, die im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei begangen wurden (E. 8.2).
Anders sieht es hingegen beim Sicherungsentzug aus:
Zur Begründung der fehlenden Fahreignung können auch Strassenverkehrsdelikte im Ausland berücksichtigt werden. Denn der für die Anordnung des Sicherungsentzugs durch die zuständige schweizerische Behörde (Art. 22 Abs. 1 SVG) massgebende Sachverhalt ist die aus den gesamten Umständen resultierende fehlende Fahreignung des Inhabers eines schweizerischen Führerausweises, der in der Schweiz wohnt. Dieser massgebende Sachverhalt tritt in der Schweiz ein, und daher ist das schweizerische Recht anwendbar (E. 9.1).
Dasselbe gilt für den obligatorischen Entzug bei Nichtbestehen oder Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung des Führerausweises:
Entsprechendes gilt für den obligatorischen Entzug des Führerausweises, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen (Art. 16 Abs. 1 erste Hälfte SVG), sowie für den Entzug des Führerausweises wegen Missachtung der mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen (Art. 16 Abs. 1 zweite Hälfte SVG). Es spielt keine Rolle, ob die Beschränkung oder die Auflage in der Schweiz oder im Ausland missachtet wird (E. 9.2).
Prozessual bemerkenswert ist, dass der Beschwerdeführer lediglich eine Reduktion der Entzugsdauer verlangt hatte, das Bundesgericht den Entzug aber vollständig aufgehoben hat.
Im vorliegenden Verfahren steht der Beschwerdeführer als Privater einer staatlichen Behörde gegenüber, die einen Warnungsentzug und damit eine Sanktion angeordnet hat, welche einen erheblichen Eingriff in seine Freiheit darstellt. Erweist sich dieser staatliche Eingriff nach der Auffassung des Bundesgerichts mangels der hiefür erforderlichen gesetzlichen Grundlage als unrechtmässig, so ist die Sanktion vollumfänglich aufzuheben, auch wenn der Beschwerdeführer aus nahe liegenden Gründen lediglich deren Herabsetzung beantragt hat. Es bestehen unter derartigen Umständen keine Interessen, die einer “reformatio in melius” entgegenstehen könnten. Denn es wird erstens das objektiv richtige Recht durchgesetzt, und dies geschieht zweitens zum Schutze des Bürgers (E. 12.4).