Private Beweisbeschaffung im Strafprozess

Als Nachtrag zu meinem letzten Beitrag weise ich darauf hin, dass die Dissertation auf der Website des Lehrstuhls Godenzi abgerufen werden kann:

Private Beweisbeschaffung im Strafprozess (PDF, 2 MB), Eine Studie zu strafprozessualen Beweisverboten im schweizerischen und deutschen Recht,  Diss. Zürich 2008, 349 Seiten.

Und noch ein Nachtrag in der Sache, die ich ehrlich gesagt nicht verstehe:

Das Bundesgericht bezieht sich im neuen Entscheid auch auf das Urteil 6B_983/2014 vom 24.02.2014. Dort führte es zum Kriterium des vorbestehenden Tatverdachts unter Berufung auf Gunhild Godenzi aus:

Zentral ist vielmehr, ob sie das strittige Beweismittel hätten erheben können, wenn ihnen der Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer bekannt gewesen wäre (vgl. GUNHILD GODENZI, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, Dissertation Zürich, 2008, S. 314 ff.) [E. 3.3.1].

Wenn ich den neuen Entscheid richtig verstehe, kann der vorbestehende Tatverdacht nun kein Kriterium mehr darstellen:

Zu prüfen ist demzufolge stets, ob der private Beweis im zu beurteilenden Fall aufgrund der abstrakten Gesetzeslage hätte beschafft werden können, d.h. ob er vom gesetzlich vorgesehenen Beweisdispositiv umfasst und von keinen Einschränkungen (wie etwa Beschlagnahmeverboten nach Art. 264 StPO oder dem Erfordernis der Katalogtat nach Art. 269 Abs. 2 StPO) betroffen ist. Das Vorliegen eines Tatverdachts sowie Verhältnismässigkeitsgesichtspunkte, die eine Würdigung der konkreten Umstände der Beweiserlangung im Einzelfall bedingen, sind hingegen nicht zu beurteilen (BGE 6B_385/2024 vom 30.09.2024 E. 2.6.2.4.).

Das führte dann doch aber entgegen den Beteuerungen des Bundesgerichts im aktuellen Entscheid doch so gut wie gar nie zur Unverwertbarkeit, zumal das “Beweisdispositiv” praktisch unerschöpflich ist. Das Bundesgericht argumentiert im neuen Entscheid mit den “äusseren Grenzen des Beweisrechts”, die nicht unterlaufen werden dürfen:

Dass die äusseren Grenzen des Beweisrechts nicht unterlaufen werden, ist mit dem abstrakten Beurteilungsmassstab alsdann sichergestellt, der eine Verwertung von Beweismitteln ausschliesst, die in der Strafprozessordnung keine Grundlage finden (vgl. dazu wiederum GODENZI, a.a.O., S. 306). Angesichts dessen und weil kumulativ zum Erfordernis der hypothetisch rechtmässigen staatlichen Erlangbarkeit noch eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO durchzuführen ist (vgl. E. 2.3 oben), trifft es im Weiteren auch nicht zu, dass ein abstrakter Massstab zu einer voraussetzungslosen Verwertbarkeit illegaler privater Beweismittel führen würde, wie das die Beschwerdeführer befürchten (vgl. zur Unbegründetheit eines solchen Vorbringens schon das oberwähnte Urteil 6B_983/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.3.1) [E. 2.6.2.3]. 

Dazu wiederum Godenzi (289):

Wer kann hier aufklären?