Privatklägerin zu Recht ausgeschlossen
Die Bundesanwaltschaft hat einer Gesellschaft, die sich als Privatklägerin in einem Geldwäschereiverfahren konstituiert hatte, als Partei ausgeschlossen, weil sie den Nachweis nicht erbracht und auch nicht glaubhaft gemacht hat, sie sei durch die Vortaten, begangen in Russland, direkt geschädigt worden. Das Bundesgericht schützt diesen Entscheid (BGer 7B_60/2022 vom 21.01.2025, Fünferbesetzung, Medienmitteilung in de und en).
Die Voraussetzungen, sich als Privatkläger in einem Strafverfahren konstituieren zu können, werden oft nur ungenügend geprüft. Dies, obwohl es bisweilen die Masse der Privatkläger ist, die den Aufwand für die Strafbehörden massiv erhöht.
Ich greife einen Punkt auf, dessen Begründungslogik sich mir nicht erschliesst (mir ist bewusst, dass auch die aktuellere Rechtslehre die folgende Meinung vertritt):
„Der Tatbestand der Geldwäscherei (Artikel 305 bis StGB) setzt voraus, dass die gewaschenen Mittel aus einem Verbrechen herrühren. Gemäss Rechtsprechung ist dabei nicht verlangt, dass die kriminelle Vortat im Detail bekannt oder strikt bewiesen ist. Es muss aber ein gewisser Kausalzusammenhang gegeben sein.“ (Medienmitteilung)
„Im Bereich der Geldwäscherei wie auch im Bereich der Hehlerei ist der strenge Nachweis der Vortat nicht erforderlich. Es ist nicht erforderlich, dass man die Umstände des Verbrechens, insbesondere den Täter, im Detail kennt, um Geldwäsche unter Strafe stellen zu können.“ (E. 3.2.2 des BGE)
– Wie kann man von einer Vortat ausgehen (und daraus auf Geldwäscherei schliessen), wenn deren Details unbekannt sind (also offenbar weder der objektive noch der subjektive Tatbestand geklärt sind, also nicht sicher erfüllt sind)?
– Und kein Täter bekannt ist (seit wann gibt es auch täterlose Straftaten)?
– Wie kann dann ein Kausalzusammenhang ersichtlich bzw. gegeben sein?
– Wie sind diese Annahmen mit der Unschuldsvermutung vereinbar?
– Wie soll man sich dagegen wirksam verteidigen (können)?
Der Strafrechtler Günter Stratenwerth lehrte früher, dass der Tatbestand den NACHWEIS erfordere
1. DASS die Vermögenswerte deliktisch erworben worden sind
2. und aus welcher ART von Delikt sie herrühren (anders liesse sich nicht entscheiden, ob die Vortat, nach schweizerischem Recht, als Verbrechen einzustufen wäre).
Und sagte zugleich, dass hier die entscheidende Schwäche des Tatbestandes liege, weil dieser Nachweis (Vermögenswerte einer BESTIMMTEN Straftat zuzuordnen), praktisch sehr schwierig bis unmöglich sei (z.B. aus dem Ausland in die Schweiz verbrachte Gelder).
Mir scheint deshalb, das Bundesgericht schaffe mittels abgeschwächter (nämlich konstruierter bzw. fiktiver) Voraussetzungen der Strafbarkeit eine (rechtswidrige?) Krücke, um strafen bzw. Gelder einziehen zu können. Oder was übersehe ich?
@Henry: ich glaube nicht, dass Sie etwas übersehen. Die Anforderungen an den Nachweis der Vortat werden immer weiter hinuntergedrückt.
Bei Steuerhinterziehung gibt es eine indirekte Umkehr der Beweislast: Es wird einfach unterstellt, dass du einen bestimmten Betrag an Steuern zu zahlen hast – oft absichtlich zu hoch angesetzt. Du bist dann in der Pflicht, das Gegenteil zu beweisen.
Ich vermute, dass hier eine ähnliche Logik greift: Niemand KANN eindeutig nachweisen, dass dein Geld aus illegalen Aktivitäten stammt – vorausgesetzt, man geht dabei geschickt vor. Insbesondere Bargeldtransaktionen oder Währungen wie Monero (Transaktionsliste nicht einsehbar) lassen sich schlichtweg nicht vollständig zurückverfolgen.
Ich finde jedoch, dass bei solchen Fällen der Beweislastumkehr dieselben Fristen gelten sollten wie bei der Aufbewahrungspflicht für Belege. Es sollte nicht passieren, dass jemand beschuldigt wird und den Unschuldsbeweis nicht erbringen kann, nur weil er aufgrund abgelaufener Fristen nicht mehr verpflichtet war, die entsprechenden Dokumente aufzubewahren, dann sollte die Beweislast beim Staat verbleiben, vermute jedoch, dass die meisten Delikte vorher bereits verjährt wären.
Sie übersehen, dass es hier u.a. darum geht, das organisierte Verbrechen zu bekämpfen.
@Mehr ist dazu nicht zu sagen:
Wenn die Anforderungen an den Nachweis der Vortat sinken (um allfällige Beweisschwierigkeiten im Bereich der org. Kriminalität auszugleichen), sind davon auch alle anderen der GW Beschuldigten betroffen – und damit ev. auch Anklagegrundsatz, Unschuldsvermutung und das Recht auf wirksame Verteidigung, drei Grundpfeiler rechtsstaatlicher Verfahren.
Ich mache Ihnen ein Beispiel aus der Praxis: In Zürich wird ein Einbruchsdiebstahl in ein Ladengeschäft begangen. Eine Überwachungskamera filmt einen der Täter im Laden und die Polizei kann ihn anhand der Bilder als Herr X identifizieren. Anschliessend wird bei ihm eine Hausdurchsuchung durchgeführt und neben dem Deliktsgut aus der Tat findet man ein Mobiltelefon, welches gestohlen gemeldet wurde. Der Diebstahl des Mobiltelefons soll gemäss Anzeigerapport an einem spezifischen in Basel stattgefunden haben. Gemäss Anzeige soll das Mobiltelefon aus einem parkierten Fahrzeug entwendet worden sein. Der Tatzeitraum kann auf etwa eine Stunde eingeschränkt werden. Nun gelingt aber Herr X. der Beweis, dass er zur Tatzeit in Zürich war und er nicht als Dieb in Frage kommt. Er erklärt gegenüber der Polizei, dass er das Mobiltelefon (mit einem Neuwert von Rund CHF 1’000.00) von einem ihm unbekannten Mann als Zahlung fürs Haareschneiden entgegen genommen habe. Dieser habe kein Bargeld gehabt. Er selber habe geplant, das Mobiltelefon für Ersatzteile zu verwenden.
Die Staatsanwaltschaft hat diesen Sachverhalt als Hehlerei angeklagt. Würden Sie diesen Mann verurteilen? Die Vortat ist nur mehr oder weniger bekannt. Der Täter der Vortat ist gänzlich unbekannt. Trotzdem finde ich es richtig, dass der Mann letztendlich verurteilt wurde.
Wenn man immer zuerst ein rechtskräftiges Urteil zur Vortat benötigen würde, so würden wohl viele Verfahren wegen Geldwäscherei und Hehlerei in die Verjährung laufen.
Aha.
Weil die Täterschaft unbekannt ist, gibt es keinen Straftäter . Ergo gibt es auch keine Straftat. Eine beanzeigte Vergewaltigung durch einen unbekannten Täter kann folglich nur eine Illusion sein. Deswegen kann es bei einem unbekannten Täter auch unmöglich eine Kausalität zwischen Geldfluss und Vortat geben.
Wenn der Vortäter nicht bekannt (oder verstorben) ist, dann kann er nicht verurteilt werden und gilt als unschuldig. Deswegen kann ist es aufgrund der Unschuldsvermutung unmöglich, dessen Geld zu waschen. Auch das ist nur eine Illusion.
Welch bahnbrechende Logik: Die Erschaffung einer strafprozessualen Wahrheit, fernab aller Mühen der realen Welt. Leider gibt es daneben noch die Realität, in der wir alle leben müssen.
@Anonym (31.1.2025, 16:33):
Sie verkürzen mein Argument auf den unbekannten Vortäter, vergleichen Äpfel mit Birnen (die Vergewaltigung mit der Geldwäscherei, welche mit der Vortat akzessorischen Charakter hat) und stellen begründungslose Behauptungen auf („Illusion“).
Deshalb verzichte ich, darauf rechtlich-sachlich einzugehen.