Privilegierte Kindstötung
Die “Kindestötung” gemäss Art. 116 StGB stellt einen privilegierten Tötungstatbestand dar. Das Bundesgericht nimmt einen aktuellen Anwendungsfall aus dem Kanton VS zum Anlass, einen Grundsatzentscheid zu erlassen.
Es beurteilt die Anwendung des privilegierten Tatbestands im Fall einer Mutter, die ihr Kind rund zweieinhalb Stunden nach der Geburt getötet hat, für bundesrechtskonform und weist eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft ab (BGE 6B_1311/2019 vom 05.03.2020, Publikation in der AS vorgesehen). Aus der Medienmitteilung:
Der Gesetzestext setzt für eine Anwendung dieser privilegierten Strafbestimmung voraus, dass die Tat von der Mutter “während der Geburt” oder “solange sie unter dem Einfluss des Geburtsvorganges steht” begangen wurde. Nicht vorausgesetzt wird für eine Anwendung der privilegierten Strafnorm der “Kindestötung”, dass die Mutter bei der Tat an einer psychischen Störung gelitten hat. Vielmehr stellt das Gesetz die unwiderlegbare Vermutung auf, dass die Verantwortlichkeit der Mutter während des Geburtsvorganges sowie während einer gewissen Zeit danach verringert ist. Bei einer Interpretation im Sinne der Staatsanwaltschaft würde die Strafnorm der “Kindestötung” jeglicher Bedeutung entleert, wie sie ihr der Gesetzgeber beimessen wollte.