Profilierungssüchtige Richter?
Tages-Anzeiger online berichtet über ein Urteil im Kanton BL, das vorerst lokal und nun auch regional beachtet wird, weil ein Einzelrichter massiv über einen Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus gegangen ist. Aus meiner Erfahrung ist das nicht so aussergewöhnlich und kann im Einzelfall durchaus auch sachlich erklärbare Gründe haben. Eines stelle ich allerdings auch fest: solche Einzelfälle ergeben sich fast nur, wenn die Presse mit im Saal sitzt. Ein ganz schlechtes Zeichen aus der Sicht der Beschuldigten ist es in der Regel, wenn das Gericht vor einem Prozess sogar Pressemitteilungen lanciert und den Verhandlungsort in grosse Säle ausserhalb der ordentlichen Gerichtsgebäude verlegt (Mögliche Ausnahme: Beschuldigte sind angesehen und einflussreich).
Vermutlich war der Angeschuldigte nicht verteidigt und dann werden die Richter plötzlich “mutig”. Ansonsten gilt ja die Devise “ja keinen fehler machen, ja keinen fehler machen, rechtsmittelsicher, rechtsmittelsicher” (jedenfalls kein eigenes Urteil). Sofern die Richter bereit sind, auf beide Seiten vom staatsanwaltschaftlichen Strafantrag abzuweichen (und damit ein eigenes Urteil – eben ein Urteil – zu fällen), wäre ja nichts dagegen einzuwenden. Bemerkenswert an dieser Geschichte ist aber vor allem, dass normalerweise der Antrag der Staatsanwaltschaft richterlich durchgewunken und zum “Urteil” erhoben wird, alles andere ist offenbar aussergewöhnlich. Wozu brauchen wir im Strafrecht überhaupt noch Gerichte? Eine weitere Steilvorlage für die Strafverfolger (die guten Jungs), überrissene Strafanträge zu stellen und das ganze Arsenal strafprozessualer Zwangsmassnahmen einzusetzen.
Der mediale Applaus für dieses Urteil ist jedenfalls zwiespältig.