Prozessfalle Aktenkenntnis
Das Bundesgericht (BGer 6B_247/2012 vom 18.09.2012) kennt die Akten nicht. Es tritt daher auf Rügen nicht ein, wenn die Fundstelle von Aktenstücken, auf die sich ein Beschwerdeführer beruft, nicht genau bezeichnet werden:
Der Beschwerdeführer führt weder die Fundstelle des von ihm angeführten Aktenstücks an, noch legt er es seiner Beschwerde bei. Es ist nicht Sache des Bundesgerichts, in den Akten des kantonalen Verfahrens nach angerufenen Beweismitteln zu forschen. Es obliegt dem Beschwerdeführer, die genaue Aktenstelle zu bezeichnen bzw. den Beleg mit der Beschwerde einzureichen, aus dem sich Willkür ergeben soll. Bereits aus diesem Grunde ist auf die Rüge nicht einzutreten (Urteil des Bundesgerichts 6B_446/2011 vom 27. Juli 2012 E. 4.3) [E. 3.2].
Am einfachsten für alle Beteiligten wird es wohl sein, die für die Begründung einer Rüge entscheidenden Aktenstücke der Beschwerde in Kopie (und mit genauer Kennzeichnung der Aktenstelle!) beizulegen, um dem Bundesgericht mühseliges Aktenstudium zu ersparen.
Blöde Frage:
Wieso weist das BGer die Beschwerde nicht zur Korrektur zurück (wie wenn eine Unterschrift fehlen würde)?
DIe Justiz in der Schweiz ist schlecht!
Zwar gehört es zu den besten der Welt. Dennoch wäre ich in der Lage ein erheblich besseres Justiz-Modell zu erfinden.
Ich meine, dass eine Beschwerde wg Verstoss gg Bundesrecht zumeist aus Formfehlern (ohne Chance zur Korrektur) abgewiesen wird, spricht Bände und ist für mich reinstes Mittelalter.
Wie wäre es mit dieser Neuregelung (im Bundesgerichtsgesetz):
“1. Die letzte kantonale Instanz urteilt in Dreier-Besetzung, soweit es sich nicht um einen besonders geringfügigen Sachverhalt handelt.
Neben der Verfahrensleitung sind zwei weitere Richter am Urteil beteiligt.
Diese entscheiden jeder für sich sowohl über Verurteilung oder Schuldspruch bzw. Abweisung oder Gutheissung der Klage oder Beschwerde, und dann über die Höhe der Strafe bzw. über Kosten- und Entschädigungsfolgen.
2. In Strafsachen ist eine Verurteilung nur möglich, wenn alle 3 Richter den oder die Angeklagten verurteilen.
3. In öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird eine Beschwerde nur abgewiesen, wenn alle 3 Richter die Beschwerde abwiesen.
4. In Zivilrechtlichen Verfahren gilt der Antrag der wirtschaftlich schwächeren Partei, sofern mindestens ein Richter diesem zugestimmt hat.
5. Die Höhe einer Strafe oder Massnahme richtet sich nach dem tiefsten Urteil.
6. Die Höhe der Kosten- und Entschädigungsfolgen sowie allfälliger sonstiger Forderungen richtet sich nach dem Durchschnitt der von den drei Richtern festsetzten Beträge.
7. Bei formellen Fehlern wird eine Frist von 10 Tagen zur Korrektur nachgereicht, ausser bei Fristsäumnis.
8. Bei der Zusammensetzung der Richter sollen die Richter aus 3 verschiedenen Parteien stammen, die möglichst unterschiedliche politische Richtungen vertreten.”
Ich behaupte, die Schweiz hätte mit diesem System das beste Justizsystem der Welt.
Allenfalls würde man fünf statt frei Richtern dafür nehmen.
Jetzt könnte man ausrufen:
So kommt jeder Straftäter frei, wenn nur ein Richter Zweifel an der Schuld hätte.
Nur: In dubio pro Reo gilt ja bereits heute offiziell. Dieses Prinzip würde einfach ausgebaut und gestärkt.
Gibt es hingegen keine grösseren Zweifel an der Schuld des Täters, so stimmen sicher alle 3 Richter für die Verurteilung.
Ich weiss nicht, ob wir damit besser bedient wären. Ziff. 4 halte ich für falsch (das Recht muss entscheiden, nicht die soziale Stellung. Die Rule of law ist m.E. das einzige tragfähige Konzept) und 8 für unwirksam (ich kenne SP-Richter, die mit ihren Urteilen eine Ehrenmitgliedschaft bei den Schweizer Demokraten anzustreben scheinen. Unabhängigkeit hat mit der Parteizugehörigkeit sehr wenig zu tun). Auf jeden Fall sind ein paar interessante Vorschläge dabei. Früher war es übrigens am U.S. Supreme Court so, dass jeder Richter ein vollständiges Urteil geschrieben hat, bevor man sich zusammengesetzt und beraten hat. In der Schweiz gibt es praktisch nur einstimmige Urteile. Es ist das Urteil eines Richters (bzw. Gerichtschreibers), dem sich die anderen dann einfach anschliessen, weil sie gleicher Meinung sind, weil der Kollege schon richtig entschieden haben wird oder weil man die Diskussion scheut.
Noch ne Frage:
Der Kanton Zürich verstösst im GOG zB gg Art. 36/102 StGB, wonach Verwaltungsbehörden keine Ersatzfreiheitsstrafe festsetzen dürfen.
Und nach der StPO (Art. 7 o 8) darf ein “Ermächtigungsverfahren” im Verfahren gg Amtspersonen nur durch eine nicht-richterliche Behörde durchgeführt werden. Siehe auch Kommentar im Orell-Füssli-Verlag von Franz Ricklin.
Der Kt. Zürich verstösst auch hiergegen (ohne Rechtsgrundlage).
Wie geht man dagegen vor bzw wie argumentiert man vor Bundesgericht am Besten?
Man einen konkreten Fall bis nach Lausanne ziehen. Ein guter Anwalt wird die richtige Rüge bestimmt rasch finden und begründen können.
Welcher § des GOG soll denn falsch sein?
Zur Frage nach Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO: Vgl. BGE 137 IV 269 Erw. 2.2. Das Bundesgericht hat gesagt, dass die Ermächtigung auch von einer richterlichen Behörde abhängig gemacht werden darf. Der Kt. ZH hatte das vorher verneint. => vor Bundesgericht hätte man hier derzeit kein Chance. Das Geld kann man sich sparen.
Ok, aber damit verstösst das Bundesgericht gegen den Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 StPO, oder?
Ich meine, der Gesetzgeber denkt sich was, und die Gerichte halten sich nicht dran?
(Es wäre was anderes, wenn das Gesetz keine nähere Bestimmung enthält und das BGer dann die Rahmenbedingungen festlegt. Aber hier erklärt das BGer einfach einen Satz für Ungültig)….
Und in so einer Bananenrepublik soll ich mich ans Gesetz halten?
Oder Steuern zahlen?
Gut, ich habs mir durchgelesen.
Das Bundesgericht hat sich selber disqualifiziert, in dem es Bundesrecht biegt und bricht.
Amnesty International kann dann wieder jammern “Es herrscht eine defacto straflosigkeit für Polizeibeamte in der Schweiz.”
Und ich kann meine langjährige Selbstjustiz-Praxis guten Gewissens fortsetzen und dezent ausbauen.
(Konkret heisst das, dass ich in Zukunft einfach Namen und Daten von fehlbaren Beamten veröffentlichen werde, da ja eine Strafanzeige nix bringt. Ist effektiver und weniger aufwendig).
Bin ich froh, dass wir das geklärt haben und ich guten Gewissens ein eigenes öffentliches Behörden-Verzeichnis online stellen werde.
In einem mir bekannten Fall wurde gerügt, dass alle (!) Einvernahmen von MItbeschuldigten und Auskunftspersonen unter Verweigerung der Teilnahmerechte der Verteidigung durchgeführt wurden. Das Bundesgericht setzte sich mit diesem Einwand nicht auseinander, sondern stellte lapidar fest, es sei nicht gerügt worden, bei welchen Einvernahmen die Teilnahmerechte verletzt wurden…
Das wundert mich nicht. “Alle” Einvernahmen riecht so appellatorisch.
Ist schon so. Aber es war eben tatsächlich bei allen Einvernahmen der Fall (und das BGer scheint offenbar die Frage der Verweigerung der Teilnahmerechte bei Einvernahmen nicht beantworten zu wollen). Aber das ist eine andere Geschichte.