Prozessuale Empfangspflichten

Das Bundesgericht erachtet es als unfair, dass ein Gericht einer Partei im Wissen um deren Ortsabwesenheit ein fristauslösendes Urteil zustellt (BGer 6B_204/2015 vom 16.02.2016).

Eine solche Zustellung ist als rechtlich unbeachtlich zu qualifizieren:

Die trotz Wissen um die Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers vorgenommene Zustellung durch das Kreisgericht ist mit einem fairen Verfahren nicht vereinbar und rechtlich unbeachtlich. Die Zustellfiktion gelangt nicht zur Anwendung (E. 3.2).

Erstaunlich ist, dass das Bundesgericht so entscheidet, obwohl der Betroffene das Prozessrechtsverhältnis kannte:

Es steht ebenfalls fest, dass er vom Bestehen eines Prozessrechtsverhältnisses ausging, mit einer möglichen Zustellung rechnete und das Kreisgericht deshalb mündlich am 13. November 2014 anlässlich der Verhandlung sowie schriftlich am 22. Dezember 2014 mit eingeschriebenem Brief über seine bevorstehende Landesabwesenheit bis Ende April 2015 informierte, damit dieses auf eine Zustellung in dieser Zeit verzichte (…). Das Kreisgericht nahm hievon nachweislich Kenntnis (…). Damit hatte der Beschwerdeführer seine Ortsabwesenheit hinreichend und gehörig angezeigt. Er genügte seiner prozessualen Empfangspflicht. Er durfte deshalb in guten Treuen annehmen, es werde ihm während seiner angekündigten Abwesenheit ein fristauslösender Entscheid nicht zugestellt (E. 3.1).

Die Gerichte werden daran keine Freude haben. Ich gehe davon aus, dass diese Rechtsprechung nur zum Tragen kommt, wenn die Partei nicht anwaltlich vertreten ist.