Racial Profiling – so what?
Der Beschwerdeführer aus meinem letzten Beitrag war übrigens guineischer Mann, der wegen Drogenhadels angeklagt ist. Der Verdacht rührte aus einer anlasslosen Durchsuchung seines Mobiltelefons. Dazu äussert sich das Bundesgericht auch in einer Pressemitteilung, die genauso wenig überzeugt wie die Erwägungen im Urteil selbst (BGer 7B_103/2024 vom 11.03.2024 E. 2):
Im Zentrum steht die Frage, ob die aus der Durchsuchung des Mobiltelefons gewonnenen und aus diesen abgeleiteten Beweismittel (WhatsApp-Kontakte, Aussagen der WhatsApp-Kontakte) verwertet werden dürfen. Die Durchsuchung von Daten auf elektronischen Geräten wie einem Mobiltelefon geht darüber hinaus, was der Polizei im Rahmen einer Kontrolle mitgeführter Sachen bei einer Anhaltung erlaubt wäre. Für die Durchsuchung des Mobiltelefons als Zwangsmassnahme im Sinne der Schweizerischen Strafprozessordnung lag sodann keine Anordnung der Staatsanwaltschaft vor. Es handelte sich auch nicht um eine Situation von Gefahr in Verzug, da keinerlei Anfangsverdacht bestand. Insbesondere lagen bei der Anhaltung keine Anzeichen für eine Tätigkeit als Kokaindealer vor, gegen die sich die in Genf geführte Aktion TEMBO richtete. Die Durchsuchung als solche erweist sich damit als unverhältnismässig. Das Bundesgericht erinnert diesbezüglich an die kürzliche Verurteilung der Schweiz wegen “racial profiling” durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die im konkreten Fall erfolgte Durchsuchung des Mobiltelefons kommt einer “fishing expedition” gleich. Gemäss einem jüngeren Urteil des Bundesgerichts (Urteil 6B_821/2021) können auf diese Weise erlangte Beweismittel dennoch verwertbar sein. Dazu ist eine Interessenabwägung erforderlich.
Das Bundesgericht hielt einmal in seiner damaligen Weisheit fest: “Der Rechtsstaat unterscheidet sich dadurch von seinen Gegnern, dass er sich nicht derselben Methoden bedient wie diese” (BGE 109 Ia 273, E.7). Wenn nun illegale beschaffte Beweismittel verwertet werden dürfen – also das unrechtmässige Vorgehen der Polizei geschützt wird -, unterscheidet sich der Staat je länger je mehr nicht mehr von seinen Gegnern. Dies birgt die Gefahr, dass sich die Bürger:innen denken “Weshalb sollte ich mich ans Gesetz halten, wenn der Staat sich nicht ans Gesetz halten muss?” und damit das Vertrauen in den Staat verlieren.
Statt zu versuchen, eine beschuldigte Person doch irgendwie mit einem Schlungg zu bestrafen und damit das unrechtmässige Vorgehen der Polizei zu fördern, wäre es zielführender unrechtmässige Beweismittel partout nicht zu verwerten. Dann würde die Polzei schnell aufhören, sich derselben Methoden wie deren Gegner zu bedienen und sich wieder von den Gegnern zu unterscheiden…
@M. Zürcher: Sehr schöner Beitrag, herzlichen Dank. Art. 141 StPO beweist, dass die Schweiz nicht nur kein Rechtsstaat ist, sondern auch gar keiner sein will.
Sie in der Schweiz halte ich für unbestreitbar das Sie im Glauben sind in einem Rechtstaat zu leben. Sie halte ich mehrheitlich überzeugt. Ich halte die Wahrheit an diesen Rechtstaat Schweiz, dass er, obwohl er bei ihnen m.E. nicht ist, vermutlich nirgendswo existiert bzw. nicht existieren kann, doch, solange an ihn geglaubt wird, seien könnte. In Litauen zbs. geht m.E. kein Anwalt davon aus, dass er in einem Rechtstaat lebt. Das macht die Sache leichter.
Lasst uns doch alle permanent überwachen, wir könnten Mörder finden, das reicht als Interessenabwägung.
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