Radsportler sind schliesslich keine Politiker
Die Staatsanwaltschaft Bonn führt ein Strafverfahren wegen Verdachts des Betrugs und Arzneimitteldelikten gegen Jan Ullrich. Im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens edierte die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau Unterlagen über eine Bankverbindung Ullrichs in der Schweiz. Diese Unterlagen werden nun an die deutschen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet. Die Beschwerden beim Bundesstrafgericht und nun auch beim Bundesgericht (Urteil 1C_138/2007 vom 17.07.2007) blieben ohne Erfolg.
Das Bundesgericht trat entsprechend seiner sich festigenden Praxis zu Art. 84 Abs. 2 BGG auf die Beschwerde Ullrichs gar nicht erst ein. Den möglichen Knackpunkt der beidseitigen Strafbarkeit (Doping kann nach schweizerischem Recht kaum als Betrug qualifiziert werden) knackten die Gerichte über das Bundesgesetz über die Förderung von Turnen und Sport, das systematisch bei der Schulgesetzgebung angesiedelt ist:
Gemäss Art. 11f des Bundesgesetzes über die Förderung von Turnen und Sport wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer Mittel zu Dopingzwecken herstellt, einführt, vermittelt, vertreibt, verschreibt oder abgibt oder Methoden zu Dopingzwecken an Dritten anwendet (…). Nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanz wird das Y. im Rechtshilfeersuchen vorgeworfene Verhalten offensichtlich von dieser Strafbestimmung erfasst.
Damit ist das Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt, sind Zwangsmassnahmen in der Schweiz folglich zulässig und es muss nicht geprüft werden, ob der im Ersuchen geschilderte Sachverhalt zusätzlich unter den Tatbestand des Betruges nach Art. 146 StGB falle. Hätte sich der Sachverhalt in der Schweiz zugetragen, hätten die hiesigen Behörden ein Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen Art. 11f des Bundesgesetzes über die Förderung von Turnen und Sport eröffnen und die in Frage stehenden Bankunterlagen beschlagnahmen können. Wenn der Beschwerdeführer verlangt, es müsse zusätzlich geprüft werden, ob der Tatbestand des Betruges nach Art. 146 StGB erfüllt sei, stützt er sich auf das Konzept, das bei der Auslieferung gilt. Dieses ist hier nicht massgebend (E. 2.3.3).
Der als offensichtlich erfüllt qualifizierte Tatbestand von Art. 11f des Turn- und Sportgesetzes lautet wie folgt:
Wer Mittel zu Dopingzwecken herstellt, einführt, vermittelt, vertreibt, verschreibt oder abgibt oder Methoden zu Dopingzwecken an Dritten anwendet, wird mit Gefängnis oder mit Busse bis zu 100 000 Franken bestraft.
“Offensichtlich” ist in diesem Zusammenhang ja dann doch etwas übertrieben.
Besonders bedeutend ist gemäss Bundesgericht ein Fall nach Art. 84 Abs. 2 BGG auch dann nicht, wenn er einen promienten Spitzensportler betrifft:
Ein solcher Fall kann nach den zutreffenden Darlegungen in den Vernehmlassungen auch nicht allein deshalb bejaht werden, weil der Beschwerdeführer eine bekannte Person ist und daher die Medien sowie die Öffentlichkeit am Ausgang des Verfahrens interessiert sind. Der vorliegende Fall hat, da es sich beim Beschwerdeführer um einen Sportler handelt, für die Schweiz insbesondere keine weitere politische Bedeutung. Anders könnte gegebenenfalls dann zu entscheiden sein, wenn es um einen bekannten Politiker geht und dem Urteil daher eine erhebliche politische Tragweite zukommt (vgl. etwa
BGE 132 II 81 [Adamov]) (E. 2.4).
s. dazu auch die Berichterstattung in NZZ und Tages-Anzeiger.