Rasende Polizistin
Bekanntlich gelten die Verkehrsregeln auch für die Polizei. Es ist gemäss Bundesgericht daher rechtens, dass eine Polizistin, welche innerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nach Abzug der Sicherheitsmarge von 6 km/h um 61 km/h überschritten hatte, verurteilt wurde (BGer 6B_1006/2013 vom 25.09.2014), und zwar zur drakonisch harten Strafe von 30 Tagessätzen zu CHF 110.00 (bedingt) und einer Verbindungsbusse von CHF 750.00. Weder Dringlichkeit (Art. 100 Ziff. 4 SVG) noch rechtmässiges Handeln nach Art. 14 StGB konnte die Beamtin für sich in Anspruch nehmen.
“die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nach Abzug der Sicherheitsmarge von 6 km/h um 61 km/h überschritten” ist nach Adam Ries echte 117 km/h, rechtswirksame 111.
Innerorts. Entweder haben wir hier einen krassen Fall von Rechtsbeugung (111 innerorts gibt doch drastische Strafen, das ist doch nicht mit 3.300 CHF bedingt erledigt!) oder Sie meinen eine andere Geschwindigkeit.
111 innerorts stimmt schon. Die Strafe ist tatsächlich nicht verständlich. Polizisten sind vor dem Gesetz oft etwas gleicher. Wie es wohl mit dem An sich zwingenden Sicherungsentzug steht?
Die meisten Kollegen fahren mitlerweile mit Horn und Blaulicht gleich schnell wie ohne. Wie schnell man am Eisatzort ist oder ob jemand flüchten kann ist sekundär. Denn mitlerweile haben die Cops den Begriff Eigenschutz nicht nur auf das tragen der Schussweste beschränkt, das juristische Danach ist wichtiger geworden. Ein Verfahren bedeutet Beförderungshalt, man kan sich nicht auf andere Stellen bewerben, Jobverlust usw. Es gibt viele Fälle bei denen versucht wird den Cops – die beim Arbeiten waren – das Leben schwer zu machen oder wie es schön heisst “ins Recht zu fassen”. Observanten sind da z.B. ganz besonders gefährdet und der Willkür ausgeliefert. Aber auch die Uniform muss immer mehr bangen. Wie war das noch mit den Polizisten die an einen bewaffneten Raub fuhren und danach gemäss via secura “durch die Mühle” gelassen wurden?!
Man verstehe mich nicht falsch, ich bin auch der Meinung, das nicht für jede “Kleinigkeit” das Risiko der Allgemeinheit durch eine rasante Polizeifahrt erhöht werden sollte. Aber man muss verstehen, dass Alarmfahrten nicht in ein schwarz/weiss Schema passen. Was als Streit beginnt, kann schnell böse enden. Und wenn dann einem Opfer der Kopf auf den Plasterstein geschlagen wird, ist dieses um jede Sekunde früheres Eintreffen der Polizei froh. Dann liegen nämlich nicht alle Zähne auf dem Boden. Man entschuldige mir die plastische Darstellung aber die Realität prägt…
Die ganzen Urteile und die dauerkritische Haltung haben wirklich einen Einfluss auf Polizisten! Sie passen sich an und fahren “normal” – zu allen Einsätzen. Am Ende verliert immer nur das Opfer, zum Glück trifft Unglück nie die ewigen Polizeikritiker.
Polizei muss immer kritisiert werden, auch wenn sich die Kritik mitunter als ungerechtfertigt herausstellt. Wer Waffen trägt, wer mich ohne Grund anhalten und kontrollieren darf und wer trotz der damit verbundenen Gefahren Regeln verletzten darf, wofür ich hart bestraft würde (SVG), muss sich dessen bewusst sein. Sie werden mir übrigens sicherlich zustimmen, dass ich als Nichtpolizist nicht so milde bestraft worden wäre; auch dann nicht, wenn auch ich gute Gründe für eine derart rasche Fahrt gehabt hätte.
Dass das alles die Arbeit der Polizei nicht leichter macht, ist mir schon klar. Aber das muss so sein, weil jede Handlung eines Polizisten eine Handlung des Staates ist. Mich interessiert nicht der Polizist als Mensch, mich interessiert hier der Polizist als Träger des staatlichen Gewaltmonopols. Wenn die rasende Kollegin als Mensch eine Fehleinschätzung gemacht hat, dann tut es mir Leid für sie und ich würde mit aller Kraft dafür kämpfen, dass der Fehler möglichst keine persönlichen Konsequenzen nach sich zieht. Aber als Teil des Apparats würde ich ihre Handlung hoffentlich immer hart kritisieren.
Da liegt für mich das Problem. Kritik ist heute eine Einbahnstrasse. Und ja, Menschen werden mit Polizeiaufgaben betraut. Sie sind nicht einfach nur ein Teil eines Apparates. Wenn wir kalt kalkulierende Rechtsanwender wollen, dann brauchen wir Polizeiroboter.
Aber warum ist es wichtig, dass man den Polizisten das Menschsein auch zugesteht, wie etwa in einem etwas milderen Urteil wenn was schief geht? Haben Sie sich mal gefragt, warum sich ein Polizist – der Familienvater ist – im Ernstfall in Lebensgefahr begibt? Sicher nicht des Geldes wegen – obwohl der Lohn gut ist. Nein, es geht um das Gefühl das Richtige zu tun, für die Schwachen oder diejenigen die sich selbst nicht mehr helfen können. So wie auch er hofft, dass ein Anderer das für seine Familie tun wird. Diese innere Überzeugung lebt vom Sinn für Gerechtigkeit und den Menschen in der Gemeinschaft. Und wenn die Anerkennung der Gemeinschaft nicht mehr da ist, dann verliert sich diese Motivation mit den Jahren. Sie erodiert quasi. Das ist dann der Moment, wo der Polizist einfach nur noch Dienst tut, möglichst ohne Risiko…