Rassendiskriminierende Dankesworte
Das Bundesgericht bestätigt die Verurteilung eines Festredners zum 1. August 2007 auf dem Rütli wegen Rassendiskrinimierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB (BGer 6B_1024/2010 vom 24.02.2010). Er hatte in Bezug auf seinen Vorredner folgende “Dankesworte” gesprochen:
Was mich am meisten beeindruckt an ihm (gemeint ist der Vorredner B.) ist, dass er in diesem Alter noch so viel Kampfgeist und Energie aufbringt. Er beweist uns jungen Eidgenossen, dass es sich lohnt, den Kampf täglich zu führen und nie aufzugeben. Gleichzeitig ist er ein Vorbild für alle älteren Schweizer, welche resigniert haben oder vom Wohlstand geblendet sind. Wenn man bedenkt, was B. alles an Repressionen und Schikanen durchmachen musste, um für die Wahrheit zu kämpfen, danken wir ihm nochmals mit einem herzlichen und kräftigen Applaus.” (…). “Wir leben in einer Zeit, in der die Lüge regiert. Auch das Antirassismusgesetz wurde nur dafür installiert, um eine geschichtliche Lüge zu stützen und dem Schweizer das Aussprechen der Wahrheit zu verbieten. Das Antirassismusgesetz ist ein typisches Gesetz, von fremden Mächten auferlegt, um uns in unserer Wehrhaftigkeit einzuschränken” (Hervorhebungen durch mich).
Auch das Bundesgericht erkennt darin mit folgender Begründung eine Straftat:
Seine Worte können mit Blick auf die rechtskräftige Verurteilung B.s wegen Holocaustleugnung nur dahingehend verstanden werden, dass derjenige, der den Holocaust als historisches Gesamtgeschehen bestreitet, für die geschichtliche Wahrheit eintritt. Damit bringt der Beschwerdeführer zum Ausdruck, dass er den Holocaust auch seinerseits für unwahr hält. Unerheblich ist dabei, dass er “mit keinem Wort irgend einen Völkermord ausdrücklich geleugnet” hat. Es ist nicht notwendig, dass er bestimmte Begriffe oder Bezeichnungen verwendet hat. Entscheidend ist nur, ob sich aus der Form, dem Zusammenhang und den sonstigen Umständen der inkriminierten Äusserungen die Holocaustleugnung ergibt. Das ist hier der Fall (E. 4.1).
Der Beschwerdeführer wird demnach bestraft, nicht weil er selbst den Holocaust für unwahr hält, sondern weil er seine irrige und längst widerlegte Meinung öffentlich zum Ausdruck gebracht hat. Das halte ich vor dem Hintergrund des Gesetzestexts jedenfalls mit der zitierten Begründung für falsch.
Zur Frage der Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 16 BV, Art. 10 EMRK) äussert sich das Bundesgericht wie folgt:
Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Holocaustleugnung überhaupt unter den Schutzbereich der Meinungsäusserungsfreiheit fällt (siehe hierzu namentlich JÖRG PAUL MÜLLER/MARKUS SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2008, S. 385 f., wonach die Leugnung des Holocaustes keinen Schutz verdient). Jedenfalls sind in Bezug auf derartige Äusserungen die Voraussetzungen erfüllt, unter welchen die Ausübung dieses Grundrechts durch Strafandrohungen beschränkt werden kann. Die Leugnung des Holocausts ist geeignet, unmittelbar den öffentlichen Frieden zu stören, und sie beeinträchtigt mittelbar die Würde der Juden. Die in Art. 261bis Abs. 4 StGB vorgesehene Strafbarkeit ist daher im Sinne von Art. 10 Ziff. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft notwendig zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zum Schutz der Moral. Die Verurteilung des Beschwerdeführers verstösst daher nicht gegen die in Art. 16 BV und Art. 10 EMRK festgelegte Meinungsäusserungsfreiheit (E. 4.4).
Auch das überzeugt mich nicht, zumal das Bundesgericht nicht rechtfertigen muss, wieso es eine Bundesstrafnorm anwendet, wozu es ja verpflichtet ist. Wahrscheinlich rechnet das Bundesgericht bereits mit einer EGMR-Beschwerde und hat deshalb wie ein Verfassungsgericht argumentiert, dies dann allerdings etwas dünn.
Unwohl ist mir auch bei der bedingten Geldstrafe von 8 Tagessätzen. Diese Strafe erscheint mir als zu tief und riecht nach Kompensation für die Unsicherheit in der Subsumption, war aber vor Bundesgericht kein Thema.
Apropos: Wie riskant ist es eigentlich, über ein solches Urteil zu berichten und dabei die inkriminierten Äusserungen zu zitieren? Wieso mache ich mich nicht strafbar, wenn ich diesen Beitrag gleich aufschalten werde?
Die Leugnung des Holocaust verdient keinen Schutz? Hm, irgendwann in grauer Vorzeit verdiente auch die Leugnung des geozentrischen Systems keinen Schutz – immerhin landet man heute nicht mehr auf dem Scheiterhaufen, sondern kommt mit einer Geldstrafe relativ “billig” davon…
Im Übrigen kann man anhand eines solchen Beispiels gut über Notwendigkeit und Nutzen eines Gesetzesartikels diskutieren. Ich bezweifle stark, dass sich ein Holocaustleugner von der Strafnorm bzw. einer Geldstrafe von seinen Aussagen wird abhalten lassen – und wäre das nicht der Zweck der Gesetzesbestimmung bzw. der Strafe? Und hat es eine Gesellschaft überhaupt nötig, ein paar Irre von ihren Aussagen abzuhalten, wenn diese Aussagen doch definitionsgemäss so unglaublich unsinnig sind?
Aber wieso sollte sich der Berichterstatter eigentlich strafbar machen? Wegen Beihilfe zur Leugnung des Völkermords durch Publikation der verbotenen Aussagen? Na ja, irgendwas liesse sich wohl konstruieren, aber das wäre dann wohl auch Leugnung der herrschenden (juristischen) Lehre…
kj ist bestimmt schon unlöschbar vorgemerkt!!
Damit muss ich jammervoll leben.
Geschichtsschreibung ist eine deskriptive und nicht eine normative Angelegenheit. Durch strafrechtliche Normen eine Wahrheit erzwingen zu wollen zeugt auch von einer gewissen Blindheit für die Geschichte. Immerhin hat man früher Glaubensfragen mittels dem Gesetz zur Wahrheit erheben wollen. Warum in diesem Fall eine Ausnahme zur Meinungsäusserungsfreiheit gemacht werden sollte kann sowieso auch niemand adäquat begründen. Des Weiteren bin ich der Ansicht, dass es sich mit besagter Strafnorm in etwas so verhält wie mit den kürzlich, jedoch bereits wieder verworfenen, Verbot von Nazisymbolen: die potentiellen Straftäter verdienen diese Aufmerksamkeit nicht und erhalten durch die Normen nur noch den einzig wahren Grund aufzubegehren. Es ist schwieriger dagegen zu argumentieren, dass diese Normen nicht gegen die Meinungsäusserungsfreiheit verstossen, als einfach zu sagen, den Holocaust zu leugnen sei einfach nur dumm.
Danke.