Recht auf direkte Konfrontation verletzt
Das Bundesgericht (BGer 6B_45/2008 vom 02.06.2008) kassiert ein kantonales Urteil wegen Verletzung des Anspruchs auf direkte Konfrontation (Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. d EMRK). Die Vorinstanz hatte den Antrag auf Befragung des Hauptbelastungszeugen Z. mit der Begründung abgewiesen,
dem Verteidiger des Beschuldigten sei anlässlich der untersuchungsrichterlichen Einvernahme von Z. vom 15. September 2005 als Auskunftsperson das Fragerecht gewährt worden. Es sei deshalb zulässig, auf eine erneute Einvernahme von Z. durch das urteilende Gericht zu verzichten (…). Die von Z. in der Voruntersuchung gemachten belastenden Aussagen, welche „als Kernpunkt der vorliegend zu beurteilenden Anschuldigung“ anzusehen seien (…), seien im Kerngehalt konstant und deshalb glaubwürdig (…).
Das Bundesgericht stellt zunächst unter Hinweis auf die Literatur fest, dass das Fragerecht in der Regel dem Beschuldigten und dem Verteidiger gemeinsam einzuräumen sei, was es so m.W. bisher noch nicht bestätigt hatte:
Die Mitwirkung des Beschuldigten kann für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Zeugen entscheidend sein, insbesondere wenn dieser über Vorgänge berichtet, an welchen beide beteiligt waren (… E. 2.4).
Anschliessend erläutert des die Ausnahmen vom Erfordernis einer direkten Konfrontation. Für den zu beurteilenden Fall kommt es dann zum Schluss, dass eine solche Ausnahme nicht vorliege:
Die Auffassung der Vorinstanz, es könne vorliegend auf eine direkte Konfrontation des Beschwerdeführers mit Z. verzichtet und auf dessen Aussagen in der Voruntersuchung abgestellt werden, ist nicht haltbar und verletzt Bundesrecht. Dem Beschwerdeführer die direkte Befragung des Hauptbelastungszeugen zu verwehren, bedeutet eine Beschränkung seines Konfrontationsrechts, welche nur als verhältnismässig qualifiziert werden könnte, wenn besondere Umstände wie namentlich Gesichtspunkte des Opferschutzes oder des Schutzes anonymer oder anderweitig bedrohter Zeugen eine solche gebieten würden. Solche besonderen Umstände sind nicht ersichtlich und werden von der Vorinstanz denn auch nicht angeführt. Ebenso wenig ist belegt, dass eine direkte Konfrontation aus tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre. Zwar leistete Z. der Vorladung zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung unentschuldigt keine Folge. Von der Möglichkeit der Vorführung gemäss Art. 98 und 99 StrV/BE sah das Gericht jedoch ab, weshalb nicht als erstellt gelten kann, dass der Hauptbelastungszeuge trotz angemessener Nachforschung unauffindbar geblieben war E. 2.5).
Fassen wir zusammen: Z. wird als Auskunftsperson befragt. Er untersteht somit nicht Art. 307 StGB (falsches Zeugnis) und ist nicht verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Ohne eine weitere Einvernahme durchzuführen, wird er plötzlich als glaubwürdiger Zeuge gehandelt, zum Nachteil des Beschuldigten. Auch dass Z. ohne Entschuldigung der Hauptverhandlung fernbleibt, stört die Berner Oberrichter nicht.
Diese Vorgehensweise ist beispielhaft für den schleichenden Abbau der Parteirechte durch das Berner Obergericht.
Interessant sind im Übrigen auch die Ausführungen des Bundesgerichts in Erwägung 2.4, wonach der Beschuldigte das Recht hat, das Aussageprotokoll einzusehen und schriftlich Ergänzungsfragen zu stellen, wenn er beim Zeugenverhör nicht anwesend sein konnte. Wie BGE 6B_708/2007 damit vereinbar sein soll, da bei jener telefonischen Zeugenbefragung gerade kein formgültiges Aussageprotokoll bestand (Erwägung 4.4), welches der Beschuldigte nachträglich hätte einsehen können, führt das Bundesgericht nicht aus. Oder ist die telefonische Zeugenbefragung kein Verhör? Was dann – eine verbotene geheime Ermittlung?
An beiden, sich widersprechenden Urteilen waren die Bundesrichter Schneider und Mathys beteiligt. Offenbar fällen diese Herren ihre Entscheide nach Tageslaune – mit korrekter Rechtsprechung hat das nichts zu tun.