Recht auf persönliche Teilnahme an der Hauptverhandlung

Auf den Anspruch auf persönliche Teilnahme an der Hauptverhandlung (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 6 EMRK und ausdrücklich Art. 14 Abs. 3 lit. d IPBPR) kann verzichtet werden. Der Verzicht auf Teilnahme muss aber unmissverständlich erklärt werden (BGE 127 I 213 E. 3a, S. 216; EMRK-Urteil Hermi c. Italien vom 18.10.2006 Ziff. 77 ff.).

In einem vom Bundesgericht in Fünferbesetzung beurteilten Fall hatte die erste Instanz der Beschwerdeführerin das Erscheinen erlassen und die Verhandlung in ihrer Abwesenheit durchgeführt (BGer 6B_1080/2010 vom 22.06.2010). Darin erkennt das Bundesgericht eine Verletzung von Bundesrecht:

Die Beschwerdeführerin hat nicht um Erlass des Erscheinens an der Verhandlung nachgesucht und auf die persönliche Teilnahme mithin nicht verzichtet. Soweit im Umstand, dass der Einzelrichter für Zivil- und Strafsachen des Bezirks Zürich der Beschwerdeführerin dennoch das Erscheinen erlassen und die Verhandlung ohne ihre Anwesenheit durchgeführt hat, eine Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör liegt (…), verletzt das angefochtene Urteil Bundesrecht (E. 3.3).

Anders als die Vorinstanz schliesst das Bundesgericht, dass eine solche Verletzung als besonders schwerwiegend zu qualifizieren ist, die nicht heilbar ist:

Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann in der Beschwerdeinstanz nur geheilt werden, soweit es sich nicht um eine besonders schwerwiegende Verletzung der Parteirechte handelt (BGE 133 I 201 E. 2.2; 127 V 431 E. 3d/aa S. 438; 126 I 68 E. 2 S. 72). Das Teilnahmerecht ist ein fundamentales Element des Rechts auf ein faires Verfahren (BGE 127 I 213 E. 3a; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Art. 6 N 158). Die Teilnahme ist für die wirksame Ausübung der Verteidigungsrechte grundsätzlich unerlässlich. Dem Angeklagten muss ermöglicht werden, alle Vorgänge in der gegen ihn geführten Verhandlung wahrzunehmen und zu ihnen Stellung zu nehmen (MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. 1999, N 474; WALTER GOLLWITZER, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, 2005, Art. 6 EMRK/Art. 14 IPBPR N 188) (E. 3.3).