Rechtliches Gehör auch im Massnahmenrecht
Soll eine jugendstrafrechtliche Massnahme abgeändert werden, muss der Betroffene vorher angehört werden. Es genügt nicht, informelle Gespräche ohne den Betroffenen oder seine Verteidigung abzuhalten und erst nachträglich Gelegenheit zu geben, sich zu dem zu äussern, was längst beschlossen ist.
Das Bundesgericht kassiert ein Urteil des Berner Obergerichts, das den Betroffenen offenbar als reines Verfahrensobjekt sah und seinen Gehörsanspruch gleich mehrfach verletzte (BGer 6B_549/2014 vom 12.03.2015, Fünferbesetzung). Der Entscheid wird bei etlichen Vollzugsbehörden zu Praxisänderungen führen müssen. Hier ein paar Zitate:
Informelle Besprechungen im Zusammenhang mit der Regelung von Vollzugsmodalitäten im Jugendstrafverfahren verletzen nicht per se das rechtliche Gehör. Sie können und müssen unter bestimmten Umständen zulässig sein. Vorliegend geht es indessen nicht um einen solchen rein informellen Austausch der mit dem Vollzug betrauten und dafür zuständigen Stellen. Vielmehr handelt es sich um eine unter einseitiger Mitwirkung der Beschwerdegegnerin vorgenommene Neubeurteilung der Sachlage durch die Gutachterin (E. 4.7).
Die Jugendanwaltschaft hätte es nicht bei einer formlosen Besprechung mit der Gutachterin bewenden lassen dürfen. Sie hätte im Sinne eines korrekten Vorgehens vielmehr ein schriftliches Ergänzungsgutachten bei der Sachverständigen einholen und dieses dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme zugehen lassen oder aber die Besprechung vom 6. Januar 2014 als Einvernahme der Gutachterin durchführen und darüber ein Protokoll aufnehmen müssen. Dabei hätte es sich aufgedrängt, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, der mündlichen Einvernahme der Gutachterin beizuwohnen, damit er dieser Ergänzungsfragen hätte stellen und Einwendungen hätte erheben können. Nur auf diese Weise wäre sein aus Art. 29 Abs. 2 BV fliessender Anspruch auf rechtliches Gehör wirksam gewahrt worden (siehe zum Ganzen insbesondere BGE 119 V 208 E. 3b und 5b; 117 V 282 E. 4a und namentlich 4c) [E. 4.8].
Dass dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers der Bericht vom 3. März 2014 zugestellt und er zur geplanten Umplatzierung in den Arxhof nachträglich persönlich angehört wurde, genügt den Anforderungen an die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs entgegen der Auffassung der Vorinstanz unter den gegebenen Umständen nicht (E. 4.9).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör erweist sich im Übrigen auch in zeitlicher Hinsicht als verletzt. Der Bericht vom 3. März 2014 wurde dem Beschwerdeführer bzw. seinem Rechtsvertreter am 4. März 2014 per Telefax zugestellt. Am 5. März 2014 fand die persönliche Anhörung statt. Am 7. März 2014 wurde seine Versetzung verfügt (E. 4.10).