Rechtliches Gehör (mehrfach) verletzt

Die Basler Justiz hat einem Beschuldigten, vertreten durch einen ausserkantonalen Anwalt gleich mehrfach in seinem rechtlichen Gehör verletzt. Das Bundesgericht hat seine staatsrechtliche Beschwerde gutgeheissen (1P.695/2006 vom 19.12.2006).

Eine erste Verletzung lag darin, dass dem ausserkantonalen Anwalt die Akten nicht zugestellt wurden. Auf die entsprechende Rüge trat das Bundesgericht allerdings nicht ein, was an der Gehörsverletzung freilich nichts ändert: nur weil das Bundesgericht gestützt auf Art. 87 OG aus formellen Gründen nicht (mehr) eintritt, heisst dies ja materiell-rechtlich noch lange nicht, dass der Anspruch nicht bestehen würde. Faktisch hat die Neufassung von Art. 87 OG allerdings die Wirkung, dass die kantonale Justiz die Verfassung beliebig verletzen kann und dies auch gerne tun, insbesondere um ausserkantonalen Anwälten keine Akten zustellen zu müssen. Das Bundesgericht hält seine Rechtsprechung wie folgt fest:

In BGE 122 I 109 hat das Bundesgericht erkannt, es sei verfassungswidrig, dass das Gericht des Kantons Waadt sich weigere, die Akten einem ausserkantonalen Anwalt zuzustellen, obwohl diese Verfahrenserleichterung den Waadtländer Anwälten zugestanden werde. Die Eintretensfrage dieses Urteilsvon 1996 richtete sich nach altem Recht. Seit 1. März 2000 gilt Art. 87 OG in geänderter Fassung und der zitierte Nichteintretensentscheid betreffend Aktenzustellung (Urteil 1P.572/2000 vom24. November 2000) erging in Anwendung dieser, noch heute geltenden Bestimmung. Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen (E. 2.2).

Hier muss ich darauf hinweisen, dass Art. 87 OG seit 1.1.2007 nicht mehr existiert, was aber – soweit ersichtlich – die Rechtslage nicht ändert. Neu gilt das BGG.

Auf eine gerügte weitere Gehörsverletzung hat das Bundesgericht dann aber eintreten müssen. Dabei ging es um den Anspruch, sich in einem Rechtsmittelverfahren zu den Vernehmlassungen äussern zu dürfen. Dass dieser Anspruch trotz klarer Rechtsprechung des Bundesgerichts (dem der EGMR diesbezüglich auch nachhelfen musste) in den Kantonen immer wieder verletzt wird, grenzt an Mutwilligkeit. Hier die Rechtsprechung des Bundesgerichts:

Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK haben die Parteien im Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf rechtliches Gehör. Nach der Rechtsprechung umfasst diese Garantie den Anspruch, von den beim Gericht eingereichten Eingaben oder Vernehmlassungen Kenntnis zu erhalten und zu diesen Stellung zu nehmen (sog. Replikrecht, ausführlich BGE132 I 42 E. 3.3). Jedenfalls in Verfahren ohne mündliche Verhandlung sind Vernehmlassungen den Verfahrensbeteiligten zuzustellen. Dabei sind mehrere Lösungen denkbar: Wird, im Sinne einer Mindestlösung, eine Eingabe rechtzeitig vor dem Entscheidzeitpunkt “zur Kenntnisnahme” zugestellt und keine Frist angesetzt, kann von den Parteien nach Treu und Glauben erwartet werden, dass sie allfällige Bemerkungen umgehend einreichen. Wahlweise kann die Zustellungauch mit einer Fristansetzung zur Stellungnahme verbunden oder ein förmlicher zweiter Schriftenwechsel eröffnet werden, um den Parteien Gelegenheit zu Gegenbemerkungen zu geben (E. 3.2).

Das Bundesgericht schiebt in derselben Erwägung noch einen praktischen, entlastenden Tipp nach:

An Gerichtsverfahren beteiligte kantonale Instanzen werden erwägen, in klaren Fällen keine Vernehmlassung abzugeben, um unnötige Zustellungen und Wartefristen zu vermeiden.