Rechtswidrige Zwangsmassnahmen / Ersatz für Verteidigungsaufwand
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde eines teilweise freigesprochenen Hanfbauern in mehreren Punkten und aus mehreren Gründen gut (BGE 6B_365/2011 vom 22.09.2011; Pubklikation in der AS vorgesehen). Der Beschwerdeführer verlangt, dass er für die Hälfte seiner Anwaltskosten und den Ertragsausfall, der aus der Vernichtung beschlagnahmten Hanfs entstand, entschädigt wird.
Zu den Anwaltskosten:
Die beantragte Entschädigung wurde dem Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren mit der Begründung verweigert, ihn treffe ein Verschulden im Sinne von Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO insofern, als er mit Hanf mit einem THC-Gehalt deutlich über dem neuralgischen Wert gehandelt habe. Das Bundesgericht korrigiert:
Der Beschwerdeführer wurde in Bezug auf den Vorwurf des Hanfanbaus auf dem Grundstück A. freigesprochen, weil der Hanf nicht zur Betäubungsmittelgewinnung angebaut und verwendet wurde (…). Vor diesem Hintergrund, namentlich in Anbetracht des ausgewiesenen legalen Hanfanbaus bzw. der legalen Hanfverarbeitung unter behördlicher Aufsicht, geht es nicht an, dem Beschwerdeführer einzig gestützt auf den festgestellten THC-Gehalt von mehr als 0,3 % ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten im Sinne von Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO anzulasten, welches die Einleitung eines Strafverfahrens aus objektiv gerechtfertigten Gründen bewirkt haben soll. Ein solches Verhalten seitens des Beschwerdeführers ist unter den gegebenen Umständen nicht ersichtlich. Dass er sich in anderm Zusammenhang wegen Hanfhandels strafbar machte, ändert hieran nichts bzw. kann zur Begründung eines im Sinne von Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO vorwerfbaren Verhaltens in Bezug auf den in Frage stehenden Tatvorwurf nicht herangezogen werden. Die Verweigerung der Entschädigung für Anwaltskosten verstösst mithin gegen Bundesrecht (E. 2.4.1).
Das Bundesgericht sieht eine Verletzung von Bundesrecht auch darin, dass die Entschädigungsfrage nicht nach der erfolgten Kostenliquidation erfolgte (dem Beschwerdeführer waren nur die Hälfte der Verfahrenskosten auferlegt worden):
Die Entschädigungsfrage ist nach der Kostenfrage zu beantworten. Insoweit präjudiziert der Kostenentscheid die Entschädigungsfrage. Es gilt folglich der Grundsatz, dass bei Auferlegung der Kosten keine Entschädigung oder Genugtuung auszurichten ist, während bei Übernahme der Kosten auf die Staatskasse die beschuldigte Person Anspruch auf Entschädigung hat (vgl. ANDREAS DONATSCH/THOMAS HANSJAKOB/VIKTOR LIEBER, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), Zürich 2010, Art. 430 Rz. 2 und 7, mit Verweis auf die Botschaft; so schon unter altem Recht: NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004, S. 464 Rz. 1209). Vorliegend auferlegte die erste Instanz dem Staat Freiburg die Verfahrenskosten zur Hälfte und zwar wegen der ergangenen Freisprüche des Beschwerdeführers (vgl. erstinstanzliches Urteil, S. 28). Entsprechend wäre in Anwendung des erwähnten strafprozessualen Grundsatzes eine hälftige Entschädigung für die Anwaltskosten sachgerecht gewesen. Ohne diesen Grundsatz auch nur im Ansatz zu berücksichtigen bzw. ohne die Entschädigungsfrage im Hinblick auf den rechtskräftigen erstinstanzlichen Kostenentscheid zu beurteilen, lehnt die Vorinstanz vorliegend eine Entschädigung für Anwaltskosten ab. Gründe, welche allenfalls ein ausnahmsweises Abweichen vom Grundsatz des Anspruchs auf eine Parteientschädigung bei Kostenauflage an den Staat sachlich rechtfertigen könnten, führt die Vorinstanz nicht an und sind hier im Übrigen auch nicht ersichtlich (E. 2.4.2).
Zum Ertragsausfall fasst das Bundesgericht zuerst den Grundsatz zusammen:
Zwangsmassnahmen sind rechtswidrig, wenn im Zeitpunkt ihrer Anordnung oder Fortsetzung die materiellen oder formellen gesetzlichen Voraussetzungen nach Art. 196 ff. StPO nicht erfüllt waren. Die beschuldigte Person ist unabhängig vom Verfahrensausgang bzw. von ihrem Verhalten für rechtswidrig angewandte Zwangsmassnahmen zu entschädigen (DONATSCH/HANSJAKOB/LIEBER, a.a.O., Art. 431 Rz. 1; STEFAN WEHRENBERG/IRENE BERNHARD, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, Art. 432 Rz. 5; CÉDRIC MIZET/VALENTIN RÉTORNAZ, Commentaire Romand, CPP, Bâle 2011, n. 3 ss ad. art. 431 CPP; NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich 2009, Art. 431 Rz. 1) (E. 3.2).
Die Subsumption lautet dann wie folgt:
Die Ernte und Destillation des vom Beschwerdeführer auf dem Grundstück A. in Murten angebauten Hanfs unter behördlicher Aufsicht war für den 19. bzw. 20. September 2007 vorgesehen. Am 18. September 2007 wurde das Hanffeld A. untersuchungsrichterlich beschlagnahmt und die vorzeitige Vernichtung des freistehenden Hanfs sowie der zum Trocknen aufgehängten Pflanzen in der Scheune des Beschwerdeführers angeordnet. Am 19. September 2007 wurde der Hanf vernichtet. Die gegen die Vernichtungsverfügung eingereichte Beschwerde des Beschwerdeführers wurde mit Urteil der Strafkammer des Kantonsgerichts Freiburg vom 20. Dezember 2007 abgewiesen (…). Auf das vom Beschwerdeführer gegen dieses Urteil erhobene Rechtsmittel trat das Bundesgericht wegen mangelnden Rechtsschutzinteresses aufgrund der bereits erfolgten Vernichtung des beschlagnahmten Hanfs nicht ein (Entscheid 1B_26/2008 vom 15. Februar 2008). Es wies in seinen Erwägungen allerdings ausdrücklich darauf hin, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Unrechtmässigkeit der Vernichtung der in Frage stehenden Hanfpflanzen und allfällige sich daraus ergebende Schadenersatzsprüche ohne weiteres Gegenstand des hängigen Strafverfahrens bilden könnten bzw. sich ohnehin erst gestützt auf das Ergebnis des Strafverfahrens abschliessend beurteilen liessen (E. 2).
Damit hat das Bundesgericht die Frage der Rechtmässigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der vorliegenden Zwangsmassnahme der Vernichtung des beschlagnahmten Hanfs entgegen der Auffassung der Vorinstanz materiell nicht beurteilt, sondern offengelassen und insoweit – im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer angestrebte Beurteilung – auf das hängige Strafverfahren verwiesen. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Auffassung der Vorinstanz, die Voraussetzungen der Rechtswidrigkeit (der Zwangsmassnahme) für eine Entschädigung gemäss Art. 431 Abs. 1 StPO seien damit, d.h. mit dem bundesgerichtlichen Nichteintretensentscheid, nicht gegeben, als unzutreffend. Die Beschwerde ist folglich auch in diesem Punkt gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Die Sache geht damit zurück an die Vorinstanz zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit bzw. Rechtmässigkeit der hier zur Diskussion stehenden Zwangsmassnahme der Hanfvernichtung unter Einschluss einer allfälligen Prüfung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Entschädigung für Ertragsverlust (E. 3.3).
Anzumerken bleibt, dass nur gerade für die kurze Erwägung zur Entschädigung der Anwaltskosten eine amtliche Publikation des Urteils vorgesehen ist, nicht dagegen für die Erwägungen zu einem allfälligen Ersatz des Ernteausfalls: